Monumentales Bauwerk: Seit Jahrzehnten streiten Historiker darüber, wann der berühmte Schifffahrtskanal Karls des Großen gebaut wurde. Jetzt liefern Holzbohlen aus den Überresten des Karlsgrabens die Antwort. Demnach begannen die Kanalbauarbeiten schon im Jahr 792 – und damit deutlich früher als bisher gedacht. Daraus folgt, dass Karl der Große die Baustelle erst besuchte, als die Arbeiten schon weit fortgeschritten waren.
Ein ehrgeiziger Plan: Im frühen Mittelalter gab Karl der Große den Befehl zu einem monumentalen Bau: Er wollte Rhein und Donau über einen Schifffahrtsweg verbinden. Dafür jedoch musste eine Wasserscheide in der Nähe des bayrischen Orts Graben durch einen rund drei Kilometer langen Kanal überbrückt werden. Reste dieser Fossa Carolina sind heute noch erhalten und werden seit einigen Jahren von Archäologen ausgegraben und intensiv untersucht.
Unklar war jedoch bisher, wann genau der Bau dieses Kanals begann. Historische Dokumente berichten, dass Karl der Große im Herbst 793 die Baustelle des Karlsgrabens besucht hat – aber war dies der erste Spatenstich? Nach andere Quellen sollen die Bauarbeiten bereits im Jahr 792 begonnen haben.
Baubeginn im Winter 792/793
Eine Antwort liefern nun gut erhaltene Holzbohlen, die die Archäologen im nördlichsten und Teil des Kanals entdeckt haben. Dieser Kanalabschnitt war im Jahr 2016 als letzter Teil der Fossa Carolina ausgegraben worden. Datierungen dieser Holzreste belegen nun: Die Bauarbeiten an diesem Kanalabschnitt müssen bereits im Winter 792/793 begonnen haben – und damit deutlich früher als bisher angenommen.
Das aber bedeutet: Beim ersten Spatenstich dieses historischen Bauvorhabens war Karls der Große nicht dabei. Als er im Herbst 793 die Baustelle besuchte, waren die Arbeiten schon weit fortgeschritten. Die Neudatierung beantwortet damit die seit über 100 Jahren kontrovers diskutierte Frage nach dem Baubeginn und wirft ein neues Licht auf den historischen Kontext des Bauvorhabens, wie die Forscher erklären.
Überraschend auch für die Archäologen
„Die neuen Datierungen sind nicht nur in ihrer Präzision außergewöhnlich. Dadurch erschließen sich auch völlig neue Aspekte der historischen Einordnung und technischen Umsetzung des Bauvorhabens“, kommentiert Lukas Werther von der Universität Jena. Überrascht waren die Archäologen unter anderem davon, dass der Kanalbau ausgerechnet am Nordende begann – einen zuvor wenig auffälligen Kanalabschnitt.
„Der Karlsgraben ist wie ein großes Buch mit stark verblichenen Seiten“, konstatiert Sven Linzen vom Leibniz-Institut für Photonische Technologien in Jena. „Mit modernster Technik können wir nun gemeinsam Kapitel für Kapitel entschlüsseln. Was mögen die nächsten Kapitel an Überraschungen bereithalten?“
Durch die präzisen und unterschiedlichen Datierungen erwarten die Forschenden erstmals Hinweise zur Baurichtung einzelner Kanalabschnitte und zu Organisationsdetails der Großbaustelle. Auch zur Frage der Fertigstellung oder Nichtfertigstellung einzelner Bauabschnitte sind neue Ergebnisse zu erwarten.
(Friedrich-Schiller-Universität Jena, 05.07.2017 – NPO)