Biologie

Gottesanbeterinnen als Vogelfänger entlarvt

Fangschrecken erbeuten erfolgreich Kolibris, Spatzen und andere gefiederte Beute

Erfolgreiche Jagd: Eine Gottesanbeterin (Tenodera sinensis) mit einem Rubinkehlkolibri (Archilochus colubris) als Beute. © Randy Anderson, "What’s That Bug?"

Ertappt: Gottesanbeterinnen fressen nicht nur Insekten und Spinnen, sie schrecken selbst vor Angriffen auf Vögel nicht zurück. 147 solcher Fälle in aller Welt haben Biologen nun aufgedeckt. In den USA lauern die Fangschrecken sogar gezielt an Kolibri-Tränken und töten dann die gefiederten Nektarsucher. Doch auch in Europa und auf den anderen Kontinenten gehören Vögel offenbar weitaus häufiger zum Speiseplan der Raubinsekten als bisher angenommen.

Gottesanbeterinnen sind furchteinflößende Lauerjäger – und scheuen auch vor Kannibalismus nicht zurück. Erspähen diese Fangschrecken eine Beute, schnellen ihre dornenbewehrten Fangbeine blitzschnell vor und packen die Beute. Für die Männchen der Gottesanbeterinnen kann allerdings auch eine Paarung unfreiwillig früh und fatal enden: Bei einigen Arten beißt das Weibchen ihrem Partner nach dem Sex den Kopf ab und verspeist ihn.

Auf dem Speiseplan der Gottesanbeterinnen stehen vor allem andere Insekten und Spinnen, in Ausnahmefällen auch mal Frösche, Eidechsen oder sogar Schlangen.

Erstaunlich verbreitet

Doch wie Zoologen Martin Nyffeler von der Universität Basel und seine Kollegen herausfanden, wagen sich die Fangschrecken sogar an gefiederte Beute heran: Häufiger als gedacht jagen und fressen sie auch Vögel. Entdeckt haben die Forscher dies, als sie nachrecherchierten, ob es Berichte über von Gottesanbeterinnen getötete Vögel oder Angriffe der Fangschrecken auf Vögel gab.

Zu ihrem eigenen Erstaunen wurden sie reichlich fündig: 147 solcher nachgewiesener Vorkommnisse aus 13 Ländern trugen sie zusammen. Auf frischer Tat ertappt worden waren dabei Fangschrecken aus zwölf Arten. „Dass das Fressen von Vögeln bei Gottesanbeterinnen dermaßen weitverbreitet ist – geographisch und im Hinblick auf die Vielzahl der beteiligten Arten – ist eine spektakuläre Entdeckung“, kommentiert Nyffeler.

Diese Gottesanbeterin (Stagmomantis limbata) frisst einen Anna’s Kolibri (Calypte anna). © Megan Ralph/ Dryad Ranch

Hohe Erfolgsquote

Die Erfolgsquote der Gottesanbeterinnen kann sich durchaus sehen lassen: In 78 Prozent der Angriffe töteten und vertilgten die Raubinsekten ihre gefiederte Beute, wie die Biologen herausfanden. Dass die Vögel dabei um ein Mehrfaches mehr wogen als der sechsbeinige Räuber, war dabei offenbar kein Hindernis. Nur zwei Prozent der Vögel schaffte es, von selbst wieder zu entkommen. Der Rest wurde meist von Menschen befreit, die das Drama zufällig beobachtet hatten.

Sonderlich wählerisch scheinen die Fangschrecken bei ihrer Beutewahl nicht zu sein: 24 verschiedene Vogelarten aus 14 Familien fanden den unfreiwilligen Weg in ihre Fangarme. In Europa, Afrika und Asien stehen vor allem kleine Spatzenvögel auf dem Speiseplan der Gottesanbeterinnen. In Nord- und Südamerika gehören Kolibris zu den häufigsten Opfern.

Todesfalle Kolibri-Tränke

Besonders häufig scheinen Fangschrecken jedoch in den USA auf Vogeljagd zu gehen, denn 70 Prozent der bekannten Fälle stammen von dort, wie die Biologen berichten. Oft lauern die Gottesanbeterinnen dabei an nektarreichen Blüten oder an den Tränken für Kolibris, die in vielen Gärten aufgestellt sind. Diese mit Zuckerwasser gefüllten Trinkbehälter locken die Kolibris an und bringen sie damit geradewegs in Reichweite der lauernden Gottesanbeterinnen.

Einer der Gründe für diese Häufung von Vogelangriffen in US-Gärten könnte sein, dass dort vor einigen Jahrzehnten mehrere große, nichtheimische Arten von Gottesanbeterinnen zur biologischen Schädlingsbekämpfung freigelassen wurden, darunter auch Mantis religiosa. „Die Studie macht deutlich, welch große Gefahr Gottesanbeterinnen für den Bestand der Vögel darstellen“, sagt Nyffeler. “ Bei der Freilassung von Gottesanbeterinnen zur Schädlingsbekämpfung ist deshalb Vorsicht geboten.“ (The Wilson Journal of Ornithology, 2017; doi: 10.1676/16-100.1)

(Universität Basel, 05.07.2017 – NPO)

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