Astronomie

Schwerkraftriesen im Todestanz

Astronomen beobachten zwei supermassereiche Schwarze Löcher vor der Verschmelzung

So könnten die beiden sich umkreisenden supermassereichen Schwarzen Löcher aussehen. © Josh Valenzuela/ University of New Mexico

Giganten vor der Verschmelzung: Astronomen haben erstmals zwei supermassereiche Schwarze Löcher in einer Galaxie entdeckt, die einander eng umkreisen. Beide zusammen umfassen 15 Milliarden Sonnenmassen, sind aber nur noch 24 Lichtjahre voneinander entfernt, wie die Forscher berichten. Irgendwann in der Zukunft werden beide Schwarzen Löcher miteinander verschmelzen – zu einem einzigen gewaltigen Galaxienkern.

Kleinere, aus Sternen entstandene Schwarze Löcher verschmelzen häufiger miteinander – das man spätestens seit dem ersten Nachweis von Gravitationswellen. Denn die inzwischen bereits dreimal registrierten Erschütterungen der Raumzeit wurde jeweils von der Verschmelzung zweier stellarer Schwarzer Löcher verursacht.

Schon länger vermuten Astronomen jedoch, dass Ähnliches auch im Herzen von kollidierenden Galaxien geschieht – nur in weitaus größerem Maßstab. Weil im Zentrum jeder Galaxie ein supermassereiches Schwarzes Loch sitzt, bringt die Galaxienverschmelzung diese in engen Kontakt. Angezogen durch ihre gegenseitige Schwerkraft, beginnen die beiden Giganten sich immer enger zu umkreisen, bis sie dann schließlich ebenfalls miteinander verschmelzen – soweit die Theorie.

Eine Galaxie mit zwei Zentren

Es war jedoch noch nie gelungen, eine solchen „Tanz der Giganten“ direkt zu beobachten – bis jetzt. Die Entdeckung gelang, weil Astronomen die 750 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernte Galaxie 0402+379 über zwölf Jahre hinweg immer wieder beobachteten. Bereits 2006 stellten sie fest, dass diese Galaxie zwei Zentren besitzt – ein Indiz für eine vergangene Verschmelzung.

Mithilfe des Very Long Baseline Array (VLBA), einem Zusammenschluss von zehn US-Radioteleskopen, fahndete das Team um Karishma Bansal von der University of New Mexico nach den Radiosignalen der zentralen Schwarzen Löcher und registrierte bei jeder Beobachtung deren Position zueinander. Erst durch Kombination von Daten aus zwölf Jahren gelang es ihnen nachzuweisen, dass sich die beiden Massegiganten tatsächlich gegenseitig umkreisen.

„Dies ist das erste Paar Schwarzer Löcher, die wir als getrennte Objekte sehen könne und die einander umkreisen“, sagt Bansals Kollege Greg Taylor. „Das macht dies zum ersten direkt sichtbaren Doppelsystem Schwarzer Löcher.“

Aufnahme des VLBA der Galaxie 0402+379 mit den beiden zentralen Schwarzen Löchern. © University of New Mexico

Kreistanz im Schneckentempo

Die Beobachtungen ergaben, dass die beiden Schwarzen Löcher zusammen 15 Milliarden Sonnenmassen umfassen – sie sind damit echte Riesen. Obwohl ihre Ränder nur rund 24 Lichtjahre auseinander liegen, benötigen sie deshalb für eine gegenseitige Umkreisung rund 24.000 Jahre, wie die Forscher berichten. Um überhaupt eine Positionsveränderung nachweisen zu können, mussten sie daher die Messdaten von mehr als einem Jahrzehnt auswerten und vergleichen.

„Das ist, als wenn man eine Schnecke auf dem Planeten um Proxima Centauri beobachten würde“, erklärt Koautor Roger Romani von der Stanford University. „Diese kriecht mit einem Zentimeter pro sekunde vorwärts, die dabei aber gut vier Lichtjahre entfernt – einen ähnlichen Drehimpuls müssen wir hier auflösen.“

Verschmelzung in einer Million Jahren

Der Tanz der Giganten wird aber nicht endlos so weitergehen: Durch ihre Schwerkraft gegenseitig angezogen, rücken die beiden Schwarzen Löcher im Laufe der Zeit immer näher zusammen – bis sie verschmelzen. Dieses dramatische Ereignis wird die Raumzeit erschüttern und Gravitationswellen freisetzen – allerdings erheblich stärker als bei den nur wenige Dutzend Sonnenmassen schweren stellaren Löchern. Die Astronomen schätzen, dass diese Verschmelzung bei den beiden Giganten in der Galaxie 0402+379 erst in mindestens einer Millionen Jahre stattfinden wird.

Schon jetzt aber liefert der Tanz der Schwerkraftriesen ihnen wertvolle Informationen über die Interaktion solcher Galaxienzentren. „Supermassereiche Schwarze Löcher haben einen großen Einfluss auf die Sterne um sie herum und das Wachstum und die Entwicklung ihrer Galaxie“, erklärt Taylor. „Sie besser zu verstehen und zu beobachten, was passiert, wenn sie verschmelzen, kann daher für unser Verständnis des Universums wichtig sein.“

Dass es dabei ziemlich dynamisch zugehen kann, darauf deutete schon eine kürzliche Entdeckung hin: Astronomen beobachteten ein supermassereiches Schwarzes Loch, das aus dem Herzen einer Galaxie herausgeschleudert worden war. (The Astrophysical Journal, 2017; doi: 10.3847/1538-4357/aa74e1)

(National Radio Astronomy Observatory/ University of New Mexico, 29.06.2017 – NPO)

Keine Meldungen mehr verpassen – mit unserem wöchentlichen Newsletter.
Teilen:

In den Schlagzeilen

News des Tages

Schriftzeichen

Ältestes Alphabet der Welt entdeckt?

Erstes Porträt eines extragalaktischen Sterns

Baby-Säbelzahnkatze im Permafrost entdeckt

Auch erwachsene Schimpansen spielen noch miteinander

Diaschauen zum Thema

Dossiers zum Thema

Bücher zum Thema

Kosmische Kollisionen - von Lars Lindberg Christensen, Davide de Martin und Raquel Yumi Shida

Schwarze Löcher - Rätselhafte Phänomene im Weltall von Cornelia Faustmann

Top-Clicks der Woche