An Land statt unter Wasser? 1886 wurden die weltberühmten Sinterterrassen auf Neuseelands Nordinsel bei einem Vulkanausbruch verschüttet. Seither ist strittig, ob das „achte Weltwunder“ diese Eruption überstand und wo die Überreste verborgen liegen. Jetzt liefern Forscher neue Hinweise. Demnach könnten die Pink und White Terraces nicht wie bisher angenommen am Grund eines Sees liegen, sondern an Land – unter zehn Meter Schlamm und Asche.
Sie galten als das achte Weltwunder: Die ungewöhnlichen Sinterformationen aus rosafarbigen und weißen Stufen am Lake Rotomahana zogen im 19. Jahrhundert Touristen aus aller Welt an. Entstanden waren die Terrassen durch Ablagerungen von sehr mineralhaltigem Wasser aus zwei Geysiren am Seeufer.
Im Juni 1886 jedoch brach der nahe Vulkan Mount Tarawera aus und überdeckte die gesamte Region mit glühender Lava und Asche. Dort, wo einst der See und die Terrassen lagen, klaffte nun ein tiefer Krater umgeben von Lavaformationen. Inzwischen ist der Krater mit Wasser gefüllt und bildet den neuen Lake Rotomahana. Doch von den berühmten Terrassen fehlte jede Spur – sie galten als unwiderbringlich zerstört.
Am Seegrund verborgen?
Bis zum Jahr 2011: US-Forscher berichteten damals, dass sie am Seegrund Überreste der Pink Terraces entdeckt hätten. Aufnahmen autonomer Tauchroboter zeigten halbkreisförmige Strukturen, die sie als die untersten beiden Stufen dieser Terrassen interpretierten. Ihrer Ansicht nach könnte das achte Weltwunder demnach noch existieren – wenn auch halb verschüttet am Grund des Sees.
Allerdings: Bereits 2016 mussten das Team um Cornel de Ronde von GNS Science einräumen, dass sie sich geirrt hatten. Nach fünf Jahren der Untersuchungen kamen sie zu dem Schluss, dass ein Großteil beider Terrassen durch den Ausbruch und das begleitende Erdbeben zerstört worden sein muss.
Gut 150 Jahre alte Vermessungsdaten
Doch wie sich nun zeigt, könnten de Ronde und seine Kollegen an der falschen Stelle gesucht haben. Das Grund: Es gibt zwar viele historische Zeichnungen und Beschreibungen der Terrassen, aber keine eindeutigen Koordinaten ihrer Lage. Weil die gesamte Umgebung durch die Eruption völlig umgestaltet wurde, sind alte Hinweise ohne Bezug auf weitere, unveränderte Landmarken zudem wenig nützlich.
Eine Lösung für dieses Dilemma haben nun Rex Bunn und Sascha Nolden von der National Library of New Zealand gefunden. Denn sie werteten eine der wenigen detaillierten Vermessungen und Karten zu dieser Region aus – das Reisejournal des deutschen Geografen Ferdinand von Hochstetter. Dieser hatte im Jahr 1859 als erster die Gegend um den damaligen Lake Rotomahana mittels Kompass vermessen.
Mit den Mitteln der forensischen Kartografie gelang es Bunn und Holden, Hochstetters Messungen zu georeferenzieren und so die Lage der früheren Landmarken mit dem heutigen Terrain abzugleichen.
Liegen die Terrassen doch an Land?
„Dadurch konnten wir das 130 Jahre alte Rätsel der Terrassen lösen“, so die Forscher. Das Ergebnis: Die Pink and White Terraces liegen nicht am Grund des heutigen Sees, sondern größtenteils unter seinem Ufer – und damit an Land. Dies bedeutet auch, dass sie der Zerstörung durch den damals aufgerissenen Vulkankrater entgangen sein könnten. Beide Terrassen sind allerdings unter zehn bis 15 Meter Lava und Geröll begraben, wie Bunn und Holden berichten.
„Unsere Forschung platziert die Pink Terrace zwei Buchten nördlich von de Rondes Suchort und an Land“, so die Forscher. Nur der Rand der Terrasse liegt demnach unter der flachen Randzone des Sees. Die Weiße Terrasse könnte dagegen mit ihrer Nordhälfte an Land liegen und ragt bei der Landspitze Te Poroporo in den Lake Rotomahana hinein.
Grabungen empfohlen
Ob die Terrassen im Untergrund noch erhalten sind, ist bisher unbekannt. Bunn und Holden empfehlen aber, an den nun identifizierten Orten wissenschaftliche Grabungen durchzuführen. Möglicherweise könnten Reste des einstigen Weltwunders gefunden werden und so „wiederauferstehen“. (Journal of the Royal Society of New Zealand, 2017; doi: 10.1080/03036758.2017.1329748)
(Journal of the Royal Society of New Zealand / National Geographic, 28.06.2017 – NPO)