Archäologie

Umweltgifte schon bei den Indianern

Verarbeitung von Bitumen als Dichtmaterial setzte giftige Kohlenwasserstoffe frei

Durch mit Bitumen abgedichtete Gefäße könnten die Chumash-Indianer schon vor Jahrtausenden giftige Kohlenwasserstoffe aufgenommen haben. © Jllm06/ CC-by-sa 3.0

Schleichende Vergiftung: Schon vor tausenden von Jahren waren Indianer an der US-Westküste schädlichen Kohlenwasserstoffen ausgesetzt. Denn sie nutzten für die Abdichtung von Gefäßen und Kanus häufig Bitumen – einen dem Erdöl ähnlichen Naturasphalt. Wie hoch die Belastung von Luft und Nahrung dadurch war, haben Forscher nun durch experimentelle Archäologie ermittelt: Sie produzierten und nutzten die Bitumengefäße genauso wie die Indianer.

In unserer modernen Umwelt kommen wir nahezu überall mit polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAK) in Kontakt. Sie stecken in Erdölprodukten wie Benzin, Diesel oder Asphalt, aber auch in vielen Plastikprodukten und sogar in Kleidung. PAKs werden zudem beim Verbrennen von Müll und Plastik frei, sowie beim Tabakrauchen. Das Problem: Viele PAKs sind giftig und stehen im Verdacht, den Hormonhaushalt zu stören, Organe und das Gehirn zu schädigen und Krebs auszulösen.

Doch wer glaubt, dass es diese Gesundheitsgefahren erst seit der Neuzeit gibt, der irrt. Wie Sabrina Holts von der Smithsonian Institution in Washington und ihre Kollegen herausfanden, waren Menschen schon vor Jahrtausenden dieser Gesundheitsgefahr ausgesetzt. Denn in vielen Regionen der Erde dringt der Naturasphalt Bitumen aus der Erde – eine teerartige Substanz, die eine Vielzahl von PAKs enthält.

Allzweck-Kleber – mit Schattenseite?

Für viele frühe Kulturen war dieses Bitumen ein äußerst nützlicher Werkstoff. Denn die Substanz lässt sich als Kleber und zur Abdichtung von Gefäßen oder Booten verwenden, aber auch als Zusatz in Salben, als Räuchermittel oder sogar als Kaugummi. Archäologische Funde belegen, dass die Chumash-Indianer in Kalifornien Bitumen schon vor mehr als 7.000 Jahren nutzten, um damit wasserdichte Gefäße herzustellen und ihre Kanus zu versiegeln.

Gleichzeitig aber scheint es diesen Indianern gesundheitlich immer schlechter gegangen zu sein: Skelettfunde deuten auf einen immer schmächtigeren Wuchs und vermehrte Schäden an Knochen und Zähnen hin, wie die Forscher berichten. Ihr Verdacht: Dieser schleichende Niedergang könnte auf die starke Bitumennutzung und eine Vergiftung durch PAKS zurückgehen.

Nachgebaut nach alter Methode: Solche mit Bitumen abgedichtete Korbflaschen nutzen früher die Chumash-Indianer. © Sabrina Sholts/ Smithsonian Institution

Gefäßproduktion wie vor 7.000 Jahren

Um das zu testen, begaben sich die Forscher sozusagen auf Zeitreise: Sie nutzen die traditionellen Methoden der Chumash-Indianer, um zwei Bitumengefäße herzustellen. Dafür flochten sie zunächst zwei flaschenförmige Körbe aus Binsen. Dann zerstampften und erhitzen sie zwei verschiedene in Kalifornien vorkommende Bitumensorten, um eine zähflüssige Paste zu erhalten. Mit dieser bestrichen sie dann die Körbe, so dass wasserdichte Flaschen entstanden.

Mittels modernster Analysemethoden prüften die Forscher dabei, wie viele und welche PAKs bei der Verarbeitung des Bitumens freigesetzt wurden. Zusätzlich ermittelten sie, wie hoch die PAK-Belastung von Wasser und Öl ist, wenn diese mehrere Tage bis Monate lang in den Bitumengefäßen gelagert werden.

Beim Verarbeiten eingeatmet

Das Ergebnis: Wenn das Bitumen erhitzt wird, treten mindestens sieben verschiedene gasförmige PAKs aus. Ihre Konzentration entspricht etwa der, wie sie beim Tabakrauch entsteht, so die Forscher. Unter den freigesetzten PAKS waren mehrere als gesundheitsschädlich eingestufte Kohlenwasserstoffe, darunter Fluoranthen und Naphtalin.

Insgesamt entsprach die Luftbelastung einem Äquivalenzwert von 140 Nanogramm pro Kubikmeter (ng/m3) Benzpyren, wie die Analysen ergaben. Zum Vergleich: Die Inhalations-Grenzwerte der US-Umweltbehörde EPA liegen bei 2 ng/m3. „Damit ist nicht auszuschließen, dass die Menschen, die damals regelmäßig mit geschmolzenem Bitumen arbeiteten, einer gesundheitsschädlichen PAK-Belastung ausgesetzt waren“, sagen Holts und ihre Kollegen.

Auch die Nahrung der Chumash-Indianer könnte mit erhöhten PAK-Werte belastet gewesen sein., Denn wie die Tests ergaben, gingen zwar nur wenig Kohlenwasserstoffe aus den Bitumengefäßen in Trinkwasser über. Doch das in den Gefäßen gelagerte Öl reicherte sich relativ schnell mit PAKs an, wie die Forscher berichten. Die Indianer könnten daher diese Schadstoffe über fettige und ölhaltige Lebensmittel aufgenommen haben.

Ähnliche Fälle auch in anderen Kulturen

„Unseres Wissens nach ist dies das erste Mal, dass die PAK-Belastung einer vergangenen Kultur mit den Mitteln der experimentellen Archäologie ermittelt worden ist“, sagt Holt. Ob diese Belastung ausreichte, um die bei den Chumash beobachteten Gesundheitsschäden zu verursachen, ist allerdings noch unklar. Auf Basis ihrer Erkenntnisse vermuten die Wissenschaftler aber, dass auch die Menschen in vielen anderen alten Kulturen einer höheren PAK-Belastung ausgesetzt waren als gemeinhin angenommen.

„Viele dieser Völker haben die Vorteile von Bitumen als Werkstoff erkannt und dieses Material daher genutzt“, so die Forscher. Tatsächlich enthüllten erst vor wenigen Jahren Analysen, dass beispielsweise die ägyptische Pharaonin Hatschepsut eine bitumen- und teerhaltige Hautsalbe verwendete, die das stark krebserregende Benzpyren enthielt. (Environmental Health, 2017; doi: 10.1186/s12940-017-0261-1)

(BioMed Central, 26.06.2017 – NPO)

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