Sex gegen geistigen Abbau? Sexuelle Aktivität im Alter kann die geistigen Leistungen fördern, wie eine Studie nun belegt. Dabei schnitten Senioren, die regelmäßig Sex hatten, bei Tests ihres verbalen und visuellen Gedächtnisses besser ab als sexuell nicht aktive Teilnehmer. Ob dies soziale, psychische oder physiologische Ursachen hat, ist bisher nicht geklärt. Nach Ansicht der Forscher bestätigt dies aber frühere Ergebnisse, nach denen Sex im Alter insgesamt die Gesundheit fördert.
Sex ist ein Urinstinkt – kein Wunder, hängt von der erfolgreichen Fortpflanzung doch das Weiterbestehen unserer Art ab. Deshalb sorgt die Natur dafür, dass bei Erregung ein ganzer Cocktail an Hormonen ausgeschüttet wird, darunter neben den Geschlechtshormonen auch Glücklichmacher wie Endorphine und Dopamin, sowie das Kuschelhormon Oxytocin. Gleichzeitig arbeiten Kreislauf, Herz und Stoffwechsel auf Hochtouren.
Kommen zum Sex noch die psychologischen Vorteile einer Beziehung dazu, hat dies positive Auswirkungen auf unsere Gesundheit – seelisch und körperlich. Denn Menschen in einer Partnerschaft sind im Schnitt gesünder und seelisch robuster als Singles, wie Forscher herausfanden. Gerade bei älteren Menschen deuten Studien zudem darauf hin, dass sexuelle Aktivität auch die geistigen Fähigkeiten fördern und erhalten könnte.
Senioren im Test
Wie Sex im Einzelnen auf die geistigen Leistungen bei Senioren wirkt, haben nun Hayley Wright von der Coventry University und ihre Kollegen untersucht. Für ihre Studie befragten sie 73 Frauen und Männer im Alter von 50 bis 83 Jahren zunächst nach deren Lebensweise und sexueller Aktivität in den letzten zwölf Monaten. Als sexuelle Aktivität wurde dabei sowohl Geschlechtsverkehr, als auch Petting oder Masturbation gewertet.
Dann unterzogen sie alle Teilnehmer standardisierten Tests verschiedener geistigen Leistungen, darunter der Aufmerksamkeit, der Sprache, des verbalen Gedächtnisses und der visuell-räumlichen Wahrnehmung. Für den verbalen Test sollten die Probanden beispielsweise in einer Minute möglichst viele Tierarten oder Wörter mit „F“ aufzählen. Beim visuellen Test sollten sie komplexe Muster kopieren oder bestimmte Objekte aus dem Gedächtnis zeichnen.
Sexuell Aktive sind verbal und visuell fitter
Es zeigte sich: Die Senioren, die im letzten Jahr im Schnitt einmal in der Woche sexuell aktiv waren, schnitten in den verbalen und visuellen Tests am besten ab. Ihnen fielen signifikant mehr Wörter ein und auch visuell-räumliche Aufgaben fielen ihnen leichter, wie die Forscher berichten. Keine Unterschiede fanden sie dagegen bei der Aufmerksamkeit und dem allgemeinen Gedächtnis.
„Unsere Ergebnisse demonstrieren, dass ältere Männer und Frauen, die regelmäßig sexuell aktiv sind, bessere kognitive Leistungen zeigen als diejenigen die weniger aktiv sind“, sagt Wright. Dies bestätige und präzisiere vorhergehende Studien, die Ähnliches gefunden hatten. „Das macht uns auch relativ sicher, dass unsere Ergebnisse verlässlich sind“, so die Forscherin.
Ein Effekt des Dopamins?
Was aber steckt dahinter? Warum sexuelle Aktivität die geistige Fitness fördert, lässt sich aus der Studie nicht ableiten: „Noch können wir nur darüber spekulieren, ob dies durch soziale oder physiologische Faktoren bewirkt wird“, sagt Wright. Doch die Forscher vermuten, dass vor allem die Ausschüttung der Hormone Dopamin und Oxytocin bei Erregung und Orgasmus eine wichtige Rolle spielen könnten.
„Unsere Ergebnisse passen gut zu der Theorie, dass sexuelle Aktivität eine verstärkte Dopamin-Ausschüttung bewirkt und dass dies wiederum schützende und fördernde Effekte auf das Arbeitsgedächtnis und die geistigen Funktionen bei älteren Erwachsenen hat“, erklären die Wissenschaftler. Ob tatsächlich vorwiegend biologische Ursachen dahinterstecken, wollen sie nun in Folgestudien untersuchen.
Aber unabhängig davon unterstreicht dies nach Ansicht der Forscher, wie wichtig ein aktives Leben gerade für Ältere ist – sei es nun durch Sport, Tanzen oder Sex oder durch geistige und soziale Anregung. (The Journals of Gerontology, Series B, 2017; doi: 10.1093/geronb/gbx065)
(Coventry University, 22.06.2017 – NPO)