Tödliche Hitze: Geht der Klimawandel so weiter, werden knapp 75 Prozent der Weltbevölkerung bis 2100 regelmäßig lebensbedrohlichen Hitzewellen ausgesetzt sein, wie Klimaforscher prognostizieren. Betroffen sind besonders die Tropen, aber auch große Metropolen in den gemäßigten Breiten. Das Beunruhigende: Selbst bei drastischem Klimaschutz steigt die Zahl der exponierten Menschen auf rund die Hälfte der Weltbevölkerung an, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Climate Change“ prognostizieren.
Dass mit dem Klimawandel auch die Hitzewellen zunehmen werden, ist nichts Neues: Schon jetzt häufen sich in vielen Regionen der Erde die Wärmerekorde und „Jahrhundertsommer“. In 50 Jahren könnten solche Wetterextreme sogar zur Regel werden. Forscher prognostizieren, dass die zunehmende Hitze weite Teile des Nahen Ostens und Nordafrikas unbewohnbar machen könnte.
Wenn Hitze und Feuchtigkeit tödlich werden
Das Problem: Um seine Kerntemperatur auf rund 37 Grad zu halten, muss der menschliche Körper überschüssige Hitze abgeben können. Doch bei Temperaturen über 37 Grad geht dies nicht. Ist dann noch die Luftfeuchtigkeit hoch, funktioniert auch die Verdunstungskühlung durch Schweiß nicht mehr. Erreicht die Kombinationen beider Faktoren eine bestimmte Schwelle, dann droht die Überhitzung – und im schlimmsten Fall der Tod.
Doch wo auf der Welt diese tödliche Schwelle schon jetzt regelmäßig erreicht wird und wie sich diese Gefahr in Zukunft entwickelten wird, war bisher nur in Teilen bekannt. „Die Schwelle zu finden, bei der klimatische Bedingungen tödlich werden, ist wissenschaftlich wichtig – aber auch beängstigend“, sagt Koautorin Farrah Powell von der University of Hawaii in Manoa.
Deshalb hat ein Team um Powell und ihren Kollegen Camilo Mora von der University of Hawaii 1.949 Fallstudien von Hitzewellen aus 164 Städten in 36 Ländern ausgewertet. Sie ermittelten anhand dieser Fälle, wie häufig die Hitzeschwelle in verschiedenen Regionen bereits überschritten wird. Diese Ergebnisse nutzten sie, um ein Prognosemodell für die Zukunft zu erstellen.
Schon jetzt trifft es jeden Dritten
Das Ergebnis: „Es ist erschreckend, wie häufig diese Bedingungen bereits sind“, sagt Powell. „Schon jetzt zahlen viele Menschen weltweit den ultimativen Preis in Form tödlicher Hitzewellen.“ Denn zurzeit leben bereits rund 30 Prozent der Weltbevölkerung in Regionen mit jährlich mehr als 20 Tagen oberhalb der tödlichen Hitzeschwelle, wie die Forscher berichten.
Was das bedeutet, zeigen die rund 10.00 Todesopfer der Hitzewelle vom Sommer 2010 in Moskau und Umgebung. Der Sommer 2003 in Mitteleuropa könnte sogar mehrere zehntausend Todesopfer gefordert haben. „Unsere Ergebnisse belegen jedoch, dass tödliche Hitzeereignisse viel häufiger sind und in viel mehr Städten weltweit vorkommen als es diese bekannten Beispiele erahnen lassen“, so die Forscher.
„Aussichten zwischen schlimm und furchtbar“
Doch es kommt noch schlimmer: „Uns gehen die Optionen für die Zukunft aus“, warnt Mora. „Für künftige Hitzewellen liegen unsere Aussichten zwischen schlimm und furchtbar.“ Denn selbst im günstigsten Fall und unter einem Szenario mit drastischem Klimaschutz werden bis zum Jahr 2100 48 Prozent der Weltbevölkerung regelmäßig tödlichen Hitzewellen ausgesetzt sein – und damit die Hälfte aller Menschen auf diesem Planeten.
Geht der Klimawandel jedoch weitgehend ungehemmt weiter, dann sind die Aussichten noch schlechter: 74 Prozent der Weltbevölkerung könnte dann an mindestens 20 Tagen pro Jahr unter einer potenziell tödlichen Hitze leiden, wie die Prognosen ergaben.
Besonders stark betroffen sind die Tropen: „Mit ohnehin hohen Temperaturen und Luftfeuchtigkeiten braucht es dort nur wenig mehr Wärme um die Bedingungen tödlich werden zu lassen“, erklärt Mora. Bis 2100 könnte die Schwelle nahe des Äquators das ganze Jahr hindurch überschritten werden, während in den mittleren Breiten bis zu 60 Hitzetage drohen.
Von New York bis Sydney
Auch viele Metropolen in den Industrieländern wären betroffen: Die Forscher prognostizieren für New York bis 2100 jährlich rund 50 potenziell tödliche Hitzetage, für Sydney rund 20 Tage. In US-Städten wie Orlando oder Houston könnte bis Ende des Jahrhunderts das gesamte Jahr hindurch die Hitzeschwelle überschritten werden, so die Wissenschaftler.
„Der Klimawandel hat die Menschheit auf einen Weg geführt, der immer gefährlicher und schwerer umkehrbar wird“, konstatiert Mora. Und in Anspielung auf den US-Präsidenten Donald Trump fährt er fort: „Aktionen wie der Rückzug aus dem Klimaabkommen von Paris sind ein Schritt in die falsche Richtung, der die Lösung eines Problems aufhält, bei dem es keine Zeit zu verlieren gibt.“ (Nature Climate Change, 2017; doi: 10.1038/nclimate3322)
(University of Hawaii at Manoa, 20.06.2017 – NPO)