Vom See zum Meer: Das Nordpolarmeer war noch bis vor rund 36 Millionen Jahren ein gigantischer Süßwassersee. Denn die Bering-Landbrücke und eine weitere Barriere zwischen Grönland und Schottland riegelten den arktischen Ozean gegen den Atlantik und Pazifik ab. Erst, als diese Landbrücken langsam im Meer versanken, entwickelte sich zunächst ein Brackwassergebiet und dann das salzige Nordpolarmeer, wie Geologen im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.
Jedes fließen etwa 3.300 Kubikkilometer Süßwasser in das Nordpolarmeer – vor allem aus den schmelzenden Gletschern der Arktis. Das entspricht rund einem Zehntel des jährlichen Wassereintrags aller Flüsse der Welt zusammen. Doch der stetige Salzwasser-Einstrom aus Atlantik und Pazifik sorgt heute dafür, dass sich das Wasser mischt und das Nordpolarmeer salzig bleibt.
Abgeriegelt von den restlichen Meeren
Doch das war nicht immer so, wie Sedimentbohrkerne aus der Nähe des Nordpols vor einigen Jahren enthüllten: In ihnen entdeckten Forscher große Mengen fossiler Süßwasseralgen. In der Zeit des Eozäns vor rund 56 bis 34 Millionen Jahren muss das Nordpolarmeer daher Süßwasser enthalten haben. Forscher vermuten, dass es damals eher einem gigantischen Süßwassersee glich.
Möglich war dies, weil gleich zwei Landbrücken den arktischen Ozean von den restlichen Meeren abtrennten: Im Pazifik ragte die Bering-Landbrücke aus dem Wasser und verband Asien mit Nordamerika. Im Atlantik zog sich eine von Vulkanen gebildete Landbrücke von Grönland nach Schottland und verhinderte dort den Wasseraustausch mit dem Nordpolarmeer.
Erst Brackwasser-Lagune…
Zu einem Meer wurde der arktische Ozean daher erst, als die erste Landbrücke weit genug absank. Wann und wie dies vonstattenging, haben nun Michael Stärz vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung und seine Kollegen mit Hilfe von Bohrkerndaten und einem tektonisch-klimatischen Computermodell rekonstruiert.
Dabei zeigte sich: Der Übergang vom Süßwassersee zum Ozean vollzog sich in zwei Schritten. Der erste erfolgte vor rund 36 bis 31 Millionen Jahren, als die Landbrücke zwischen Grönland und Schottland um rund 50 Meter absank. Dies führte dazu, dass zumindest ein wenig Salzwasser einströmen konnte und sich eine Brackwasser-Lagune bildete.
…dann Salzwassermeer
Dann erst, vor frühestens 32 Millionen Jahren, folgte zweite Schritt: Die Landbrücke sank nun unter die oberste winddurchmischte Wasserschicht ab und ermöglichte damit erstmals eine stärkere Durchmischung der Wassermassen. „Erst wenn der Ozeanrücken unterhalb dieser winddurchmischten Schicht liegt, kann das schwerere salzhaltige Nordatlantikwasser relativ ungestört über die Passage in die Arktis einströmen“, erklärt Stärz.
Erst jetzt wurde der arktische Ozean zum echten, salzigen Meer. „Nachdem die Öffnung der Ozeanpassage zwischen Grönland und Schottland diese kritische Tiefe überwunden hatte, entstand daraus der Ozean mit Salzgehalten, wie wir sie heutzutage von der Arktis kennen“, so Stärz. Mit dieser Anbindung des Nordpolarmeeres an die globale Ozeanzirkulation etablierte sich auch das heutige Klimasystem.
Die einstige Landbrücke zwischen Grönland und Schottland existiert auch heute noch. Sie liegt aber mittlerweile in etwa 500 Metern Wassertiefe. Island ist der einzige Teil davon, der noch immer über dem Wasserspiegel liegt. (Nature Communications, 2017; doi: 10.1038/ncomms15681)
(Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung, 06.06.2017 – NPO)