Drohender Abbruch: Der gewaltige Riss im antarktischen Larsen C-Schelfeis wächst weiter. Inzwischen ist die Spalte im viertgrößten Schelfeis der Erde 180 Kilometer lang und hat sich an ihrer Front gegabelt. Nur noch rund 20 Kilometer Eis hindern das gigantische, rund 5.000 Quadratkilometer große Bruchstück daran, auf das Meer hinauszutreiben. Sollte dies geschehen, wäre dies einer der größten je beobachteten Tafeleisberge der Antarktis.
Das Larsen-C-Schelfeis füllt eine der Buchten an der Ostküste der Antarktischen Halbinsel. 350 Meter dick ist die Eisschicht hier. Dennoch registrierten bereits im Jahr 2015 Eisforscher erste Hinweise auf einen wachsenden Riss im dicken Schelfeis. Im Oktober 2016 war der rapide länger werdende Riss bereits 112 Kilometer lang und 90 Meter breit.
Jetzt haben Adrian Luckman von der Swansea University und seine Kollegen vom Midas Projekt den Riss im Schelfeis erneut vermessen. Weil zurzeit Winter in der Antarktis herrscht, konnte dies nicht per Flugzeug erfolgen. Stattdessen nutzten die Forscher dafür Radardaten der Sentinel-1-Satelliten der europäischen Raumfahrtagentur ESA.
Wachstum mit zwei Rissspitzen
Das Ergebnis: Der Riss ist weiter gewachsen: Er ist nun 180 Kilometer lang. „Dies ist die erste signifikante Veränderung seit Februar dieses Jahres berichtet Luckman. „Bis dahin war die Risslänge mehrere Monate lang stabil geblieben, dafür hat sich die Spalte stetig geweitet – um mehrere Meter pro Tag.“
Zusätzlich hat sich der Riss inzwischen gegabelt und wächst an dieser neuen Verzweigung weiter in die Länge: „Während die bisherige Rissspitze sich nicht weiter fortbewegt hat, ist eine neue Abzweigung entstanden“, so Luckman. „Diese ist bereits 15 Kilometer lang und wächst weiter in Richtung der Eisfront.“ Nur noch 20 Kilometer Schelfeis halten das fast abgetrennte Eisstück am restlichen Schelfeis fest.
Bruch des Schelfeises droht
Sollte das rund 5.000 Quadratkilometer große Stück des Larsen-C- Schelfeises abbrechen, wäre dies einer der größten Tafeleisberge, die je beobachtet wurden. „Wenn dieser Eisberg kalbt, wird das Larsen-C-Schelfeis mehr als zehn Prozent seiner Fläche verlieren“, sagt Luckman. „Dies wird die Landschaft der antarktischen Halbinsel fundamental verändern. Denn noch nie war das Larsen-Schelfeis so geschrumpft.
Hinzu kommt: Sollte das gigantische Eisstück abbrechen, könnte dies auch den Rest des Larsen-Schelfeises destabilisieren. Die Forscher befürchten, dass dann dieser Eisfläche das gleiche Schicksal droht wie dem benachbarten Larsen-B: Nach einem ähnlichen Abbruch eines großen Tafeleisbergs zerbrach auch der Rest des Schelfeises und zerfiel im Laufe von weniger als einem Monat.
(Swansea University, 03.05.2017 – NPO)