Geowissen

Methanrätsel der Atmosphäre gelöst?

Überraschende Erklärung für plötzlichen Anstieg des atmosphärischen Methangehalts

Seit 2007 hat der Methangehalt der Erdatmosphäre stark zugenommen. Warum, war bisher rätselhaft. © NASA

Überraschende Lösung: Seit 2007 steigen die Methan-Werte in der Atmosphäre deutlich an – warum, war bisher rätselhaft. Jetzt jedoch könnten Forscher dieses Methanrätsel gelöst haben. Demnach sind nicht steigende Emissionen dieses starken Treibhausgases schuld, sondern vielmehr ein Nachlassen der atmosphärischen „Waschkraft“ – des Vorgangs, der das Methan wieder abbaut.

Methan ist ein potentes Treibhausgas, das ab er nicht nur aus menschengemachten Emissionen in die Atmosphäre gelangt. Es wird auch aus vielen natürlichen Quellen freigesetzt: Es steigt aus den Gashydraten am Meeresgrund auf, wird vom tauenden arktischen Meereis, dem Permafrost und von Seen in den Polargebieten freigesetzt.

Doch der Methangehalt der Atmosphäre gibt schon länger Rätsel auf: Nachdem etwa ab dem Jahr 2000 die Konzentrationen zunächst stagnierten, steigen sie seit 2007 wieder deutlich an. Die Ursachen dafür sind jedoch strittig. Forscher vermuteten steigende Emissionen der Landwirtschaft oder der Verbrennung fossiler Brennstoffe, aber auch das Abtauen der arktischen Permafrostgebiete dahinter.

Ist ein verlangsamter Abbau schuld?

Eine ganz andere – überraschende – Erklärung könnten nun jedoch Alexander Turner von der Harvard University und seine Kollegen gefunden haben. Ihre Hypothese: Wenn die Methangehalte steigen, müssen nicht steigende Emissionen schuld sein. Es könnte auch daran liegen, dass das Treibhausgas in der Atmosphäre heute weniger effektiv und schnell abgebaut wird als früher.

„Das ist wie bei einer Küchenspüle, bei der der Wasserhahn läuft“, erklärt Koautor Christian Frankenberg vom California Institute of Technology. „Wenn der Wasserspiegel in der Spüle steigt, dann kann das daran liegen, dass der Wasserhahn weiter geöffnet wurde. Aber es kann auch bedeuten, dass der Abfluss verstopft ist. Man muss sich beides anschauen, um die wahre Ursache herauszufinden.“

„Waschmittel“ der Atmosphäre untersucht

Genau dies haben die Forscher nun für das atmosphärische Methan getan. Für ihre Studie analysierten sie die Konzentrationen eines wichtigen „Waschmittels“ der Atmosphäre – des Hydroxyl-Radikals (OH). Dieses hochreaktive Molekül verbindet sich in der Atmosphäre mit dem Methan und wandelt es in Kohlendioxid und Wasserdampf um.

Modellsimulation des Hydroxylgehalts in der Erdatmosphäre. © Angharad Stell/ University of Bristol.

Durch Isotopenanalysen und Messungen einer weiteren eng mit dem Hydroxyl verknüpften Verbindung gelang es Turner und seinen Kollegen, die Entwicklung und Gehalte von Hydroxyl und damit die „Waschkraft“ der Atmosphäre genauer zu bestimmen. Auch die Entwicklung der Methanemissionen überprüften die Forscher mit Hilfe eines Modells.

Überraschende Abnahme

Das überraschende Ergebnis: Entgegen den bisherigen Annahmen sind die Methanemissionen seit 2007 gar nicht angestiegen – im Gegenteil: „Wir haben sogar eine Abnahme der globalen Methanemissionen von 2003 bis 2016 von rund 25 Teragramm pro Jahr festgestellt“, berichten die Forscher. „Dies gilt auch für die Periode vermeintlichen Wachstums ab 2007.“

Zur gleichen Zeit jedoch nahm auch die „Waschkraft“ der Atmosphäre deutlich ab: Der Gehalt von Hydroxyl sank in diesem Zeitraum um rund sieben Prozent, wie Turner und seine Kollegen ermittelten. Dadurch blieb mehr Methan in der Atmosphäre bestehen und wurde nicht abgebaut – und als Folge stiegen die Methanwerte trotz sinkender Emissionen.

Ergebnis wirft neue Fragen auf

„Das erscheint zwar kontra-intuitiv, aber mathematisch gesehen ist dies wahrscheinlichste Erklärung“, erklären die Forscher. „Denn dies würde bedeuten, dass die Methangehalte nicht plötzlich ab 2007 stark angestiegen sind, sondern eher allmählich im Laufe der letzten Jahrzehnte mehr wurden.“ Und dies passe besser zu den Modellen und Beobachtungen.

Allerdings: Bisher können die Forscher nicht erklären, warum die Hydroxyl-Radikale – und damit das „Waschmittel“ der Atmosphäre – in den letzten gut zehn Jahren abgenommen haben. „Hier brauchen wir noch mehr Forschungsarbeit, um die Ursachen sowohl der Fluktutationen beim Methan als auch beim Hydroxyl zu ermitteln“, so Turner und seine Kollegen. (Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), 2017; doi: 10.1073/pnas.1616020114)

(California Institute of Technology / University of Bristol, 19.04.2017 – NPO)

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