High-Tech-Garn für Raumfahrt und Co: Eine neue Klasse von Supraleitern könnte künftig zu flexiblen Nanofäden verarbeitet werden. Aus diesem Garn und Kunststoff-Fasern haben Forscher hauchdünne Folien hergestellt, die bei minus 200 Grad den elektrischen Strom widerstandslos leiten und Magnete schweben lassen. Dabei ist das fertige Gewebe nicht nur formbar wie Frischhaltefolie, sondern auch leichter und preiswerter als herkömmliche supraleitende Keramiken.
Bestimmte Materialien gelangen durch extremes Abkühlen in einen besonderen Zustand: Sie leiten plötzlich verlustfrei elektrischen Strom, lassen Magnete schweben und schirmen Magnetfelder ab. Diese Materialien werden Supraleiter genannt. Sie bestehen meist aus harten, spröden Keramiken und sind verhältnismäßig schwer. Mit einem neuen supraleitenden Material haben Uwe Hartmann von der Universität des Saarlandes und seine Kollegen nun eine flexible, leichte Alternative entwickelt.
Nanofäden aus Supraleiter-Material
Die Forscher produzieren ihr Material durch ein Verfahren, das sich „Elektrospinnen“ nennt. Bei diesem aus der Kunststoffverarbeitung bekannten Prozess wird ein flüssiger Ausgangsstoff durch eine feine Düse gepresst, die unter elektrischer Spannung steht: „Heraus kommen Nanodraht-Fäden, die tausendmal dünner sind als ein Haar – etwa 300 Nanometer und weniger“, berichtet Hartmanns Kollege Michael Koblischka.
„Danach erhitzen wir das Geflecht so, dass Supraleiter in der richtigen Zusammensetzung entstehen. Sie bestehen aus Yttrium-Barium-Kupfer-Oxid oder aus ähnlichen Verbindungen“, so der Forscher weiter. Ab etwa minus 200 Grad Celsius haben diese Verbindungen supraleitende Eigenschaften.
Formbar und federleicht
Ihre Supraleiter-Nanodrähte verweben die Wissenschaftler mit Kunststoff-Fasern. „Das macht den Stoff formbar und anpassungsfähig wie Frischhaltefolie“, erklärt Hartmann. „Theoretisch könnte er in jeder Größe hergestellt werden. Hierzu benötigen wir weniger Ressourcen als die üblicherweise für Supraleiter verwendeten Keramiken, was das Geflecht auch günstiger macht“.
Und noch einen Vorteil hat das neue Material laut Hartmann: Die geringe Dichte des neuen Stoffes von 0,05 Gramm pro Kubikzentimeter macht ihn so leicht wie Styropor. „Das ist etwa ein Hundertstel der Dichte eines herkömmlichen Supraleiters“, betont der Forscher.
Einsatz als Beschichtung
Dank der herausragenden Flexibilität und der geringen Dichte sei der Supraleiter-Stoff überall dort interessant, wo es auf Gewicht ankommt, zum Beispiel in der Weltraumtechnik, so Hartmann. „Auch in der Medizintechnik könnte er zum Einsatz kommen“, sagt der Wissenschaftler. Als neuartige Beschichtung könnte er bei kalten Temperaturen elektromagnetische Felder abschirmen, in flexiblen Kabeln verwendet werden oder für reibungsfreies Gleiten sorgen. (Superconductor Science and Technology, 2017; doi: 10.1088/1361-6668/aa544a)
(Universität des Saarlandes, 10.04.2017 – CLU)