Paläontologie

Blutprobe im Bernstein

Forscher finden einzigartiges Fossil mit infiziertem Säugetier-Blut

Diese Zecke hat das Blut eingesammelt - und wurde gemeinsam mit den Säuger-Zellen konserviert. © George Poinar

Außergewöhnlicher Fund: In einem 20 bis 30 Millionen Jahre alten Bernstein haben Forscher zum ersten Mal überhaupt konserviertes Blut eines Säugetiers entdeckt. Die Zellen sind mitsamt einer vollgesaugten Zecke in dem erstarrten Baumharz eingeschlossen – und halten eine weitere Überraschung bereit. Denn in dem Blut sind zudem krankmachende Babesien enthalten. Diese Parasiten infizieren noch heute die roten Blutkörperchen von Mensch und Tier.

Das zu Bernstein erstarrte prähistorische Baumharz ist eine echte Zeitkapsel. Was einst in ihm eingeschlossen wurde, bleibt über Jahrmillionen konserviert. Ob Giftblume, Vogelflügel oder Dinosaurierschwanz: Die Bernstein-Fossilien öffnen immer wieder ein Fenster in eine vergangene Welt und versorgen Wissenschaftler mit wertvollen Einblicken.

In einem rund 20 bis 30 Millionen Jahre alten Bernstein hat nun George Poinar von der Oregon State University in Corvallis einen weiteren außergewöhnlichen Fund gemacht: die ersten roten Blutzellen eines Säugetiers, die dank der gold-gelben Schutzhülle in makellosem Zustand für die Nachwelt erhalten geblieben sind.

Im Bernstein enthalten sind die ersten bekannten fossilen Blutkörperchen eines Säugetiers. © Oregon State University

Vollgesaugte Zecke

Eingesammelt hat das Blut ein tierischer Helfer: Eine Zecke, die sich im urzeitlichen Regenwald der heutigen Dominikanischen Republik wohl gerade genüsslich vollgesaugt hatte. Durch zwei kleine Löcher in ihrem Rücken quoll das Blut just in jenem Moment aus dem Spinnentier heraus, als es im Baumsaft stecken blieb. Zecke und Blut wurden so zum Fossil.

Poinar hat bereits einen Verdacht, wie die Verletzungen des Blutsaugers zustande gekommen sein könnten: „Die Löcher legen nahe, dass ein Tier die Zecke von ihrem Wirt gepflückt und sie dabei an diesen zwei Stellen zerdrückt hat“, sagt er. Womöglich könnte es sich dabei um Affen gehandelt haben, die sich gegenseitig das Fell pflegten: „Wir wissen zumindest, dass in dieser Region zu jener Zeit Affen lebten.“

Parasit im Blut

So gut konservierte, Jahrmillionen alte Säugetier-Blutzellen zu finden, ist an und für sich schon einzigartig. Doch in dem Bernstein verbirgt sich eine weitere Besonderheit – genauer: in dem eingeschlossenen Blut selbst. Denn wie Poinar berichtet, ist darin ein Krankheiterreger enthalten. Ein Parasit namens Babesia microti hatte das Blut infiziert – eine Art, die noch heute existiert. „Es ist das einzige bekannte Fossil dieser Gattung von Pathogenen“, sagt der Forscher.

Der Erreger kann über Zecken auch das Blut von Menschen infizieren. Er verursacht das Krankheitsbild der Babesiose, das sich ähnlich manifestiert wie Malaria und mitunter tödlich sein kann. Eine verwandte Art löst bei Rindern das sogenannte Texasfieber aus. Das neu entdeckte Fossil gewährt nun einen Einblick in die Entwicklungsgeschichte dieser Parasiten.

Einblick in die Erreger-Evolution

„Die Lebensformen, die wir in Bernstein finden, können sehr viel über die Geschichte und Evolution von Krankheiten offenbaren, die uns noch heute plagen. Dieser Parasit zum Beispiel war offensichtlich schon Millionen Jahre vor den ersten Menschen da und scheint sich parallel mit den Primaten und seinen anderen Wirten entwickelt zu haben“, schließt Poinar. (Journal of Medical Entomology, 2017; doi: 10.1093/jme/tjw247)

(Oregon State University, 04.04.2017 – DAL)

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