Schlau und sozial zugleich: Raben-Junggesellen zeigen eine erstaunlich menschenähnliche Gruppendynamik. Obwohl sich die nichtbrütenden Raben immer nur sporadisch an Futterstellen oder Schlafplätzen treffen, bilden sie in diesen Gruppen wechselnde Freundschaften, Allianzen und Hierarchien. Diese soziale Dynamik erfordert ein hohes Maß an sozialer Intelligenz – und darin sind die Raben durchaus mit den Primaten vergleichbar, wie die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichten.
Raben sind ebenso intelligent wie sozial: Die großen Krähenvögel können zählen, verwenden Gesten, erinnern sich noch nach Jahren an Artgenossen und können sich sogar in andere Vögel hineinversetzen. Betrüger entlarven die Raben zudem schnell und verweigern diesen dann ihre Kooperation.
„Junggesellen“ mit Rucksack
Mehr zum Sozialleben von Raben-Junggesellen haben nun Matthias Loretto von der Universität Wein und seine Kollegen herausgefunden. Während brütende Kolkraben in monogamen Paaren zusammenleben, war bisher unklar, inwieweit die noch ungebundenen Raben soziale Gruppen bilden und wie diese strukturiert sind.
Um das herauszufinden, statteten die Vogelforscher 30 nichtbrütende Kolkraben mit kleinen Sensor-Rucksäcken aus, die stündlich die Position der Tiere mit GPS übermittelten. Seit etwa vier Jahren können sie so die Flugbewegungen der Tiere beobachten. Zusätzlich markierten die Forscher 332 Raben in Österreich und Italien mit Farbringen und Flügelmarken, um deren Verhalten in zwei Studiengebieten über diese Zeit zu dokumentieren.
Komplexe Gruppendynamik
Das Ergebnis: Die Raben-Junggesellen treffen nicht nur zufällig an lohnenden Futterplätzen aufeinander. Sie bilden echte soziale Gruppen unterschiedlicher Größe und Zusammensetzung. „Trotz des scheinbar flüchtigen Charakters der Rabengruppen treffen sich bestimmte Raben wiederholt und interagieren miteinander“, berichten die Wissenschaftler.
Während einige Raben sich nur in relativ kleinen Gebieten aufhielten, durchstreiften andere pro Jahr tausende Quadratkilometer. „Wir waren erstaunt über die Ähnlichkeit zu unserer Gesellschaft: Manche Menschen verbringen lieber ihr Leben in einer einzigen Stadt oder gar einem kleinen Dorf, andere hingegen genießen häufiges Reisen und Umziehen. Genauso ist es bei den Raben“, erklärt Loretto.
Doch wenn sich die Raben wiedertrafen, entwickelten ihre Gruppen eine durchaus komplexe soziale Struktur mit einer Hierarchie und sich bildenden und verändernden „Freundschaften“ und Allianzen, wie die Forscher beobachteten.
„Mit Primaten durchaus vergleichbar“
Nach Ansicht der Forscher zeige die Raben damit ein Sozialverhalten und eine soziale Intelligenz, die in vielen Aspekten durchaus mit denen von Primaten vergleichbar sind. „Das Zusammenleben in derartig dynamischen sozialen Gruppen und die Bildung von Freundschaften dürfte die Intelligenz der Raben im Lauf der Evolution gefördert haben“, sagt Loretto.
Denn gerade die häufige Trennung der Gruppen und die Wiederbegegnung in neuen Konstellationen erfordert ein erhebliches Maß an sozialer Intelligenz. „Wenn ein Rabe sich einer Gruppe anschließt, kann es sehr nützlich sein, sich an vorhergehende Interaktionen mit diesen Artgenossen zu erinnern, um zu entscheiden, wer einem freundlich oder eher feindlich gesinnt ist“, nennt Loretto ein Beispiel. (Scientific Reports, 2017; doi: 10.1038/s41598-017-00404-4)
(Universität Wien, 24.03.2017 – NPO)