Technik

Filme von US-Atomwaffentests veröffentlicht

Freigabe und Digitalisierung der historischen Aufnahmen nach gut 50 Jahren Geheimhaltung

Aufnahme eines US-Atombombentests im Pazifik im Rahmen der "operation Hardtack I" im Jahr 1958 © LLNL

Aus dem „Giftschrank“ geholt: 750 Filmaufnahmen von US-Kernwaffentests sind jetzt erstmals öffentlich zugänglich – und können teilweise auf Youtube betrachtet werden. Nach rund 50 Jahren wurde die Geheimhaltung für die aus der Zeit von 1945 bis 1962 stammenden Filme aufgehoben. Anlass dafür ist die Digitalisierung und Neuanalyse der rund 10.000 bei US-Kernwaffentests aufgenommenen Videos. Sie enthüllt auch, dass viele Filme damals falsch ausgewertet worden sind.

Zwischen 1945 und 1962 führten allein die USA 210 atmosphärische Kernwaffentests durch -zunächst in der Wüste von New Mexico, später unter anderem auf dem Bikini-Atoll im Pazifik. Die Explosionen der Atom- und Wasserstoffbomben hinterließen ein bis heute strahlendes Erbe. Denn die freigesetzten radioaktiven Nuklide dieser Tests sind bis heute in der Atmosphäre nachweisbar und viele der ehemaligen Testgebiete im Pazifik sind bis heute unbewohnbar.

Rettung kurz vor dem Zerfall

Um die Stärke der Explosionen und ihre Folgen zu dokumentieren, wurden damals alle Tests mit mehreren Hochgeschwindigkeits-Kameras gefilmt. Rund 10.000 Videos blieben von den Kernwaffentests erhalten und wurden als geheimes Material in den Tresoren und Bunkern der US-Atomforschungseinrichtungen gelagert.

Jetzt jedoch, gut 50 Jahre später, drohen diese Filme unwiederbringlich kaputtzugehen, weil das alte Filmmaterial sich zersetzt. „Wenn man die Filmdosen öffnet, riecht es nach Essig – und das ist eine der Nebenprodukte beim Zersetzungsprozess dieser Filme“, erklärt der Kernphysiker Greg Spriggs vom Lawrence Livermore National Laboratory (LLNL).

Filmdosen mit historischen Videoaufnahmen der US-Kernwaffentests © LLNL

Geheimhaltung teilweise aufgehoben

Er und seine Kollegen arbeiten seit rund fünf Jahren daran, die alten Filme aufzuspüren, zu digitalisieren und neu zu analysieren. „Die Daten müssen in digitaler Form konserviert werden, weil das Filmmaterial zerfallen wird – egal wie gut man es zu konservieren versucht“, so Spriggs. Bisher ist es dem Team gelungen, 6.500 der rund 10.000 Filme wiederzufinden, 4.200 sind bereits eingescannt.

750 dieser Originalaufnahmen von den US-Atomwaffentests wurden im Zuge dieser Rettungsaktion nun für die Öffentlichkeit freigegeben. Eine erste Auswahl dieser historischen und gleichzeitig gruseligen Filmdokumente haben Spriggs und seine Kollegen nun auf Youtube zusammengestellt. Sie zeigen die Explosion der Atombomben und die sich ausbreitenden Wolken mit 2.400 Frames pro Sekunde.

Bis zu 30 Prozent waren falsch vermessen

In den 1950er und 1960er Jahren wurden die Filmaufnahmen noch manuell von mehr als tausend sogenannten „Kodagraphen“ ausgewertet: Sie projizierten jedes Einzelbild des Films auf ein Gradnetz, um Feuerball und Schockwelle zu vermessen, wie Spriggs erklärt. Er und seine Kollegen nutzen ein spezielles Computerprogramm, um die Explosionen anhand der Original-Datenblätter und Filme neu auszuwerten und zu vermessen.

Die Neuanalyse enthüllte: „Wir stellten fest, dass einige Messungen um 20, teilweise 30 Prozent danebenlagen“, berichtet Spriggs. „Das ist eine ziemlich große Abweichung.“ Zudem stießen die Forscher auf zuvor nicht beachtete oder entdeckte Details. „Diese neuen Korrelationen können nun beispielsweise von nuklearen Forensikern genutzt werden“, so der Forscher.

So werden die historischen Filmaufnahmen der US-Atombombentests digitalisiert und neu ausgewertet.© LLNL

Mahnende Erinnerung

Die Wissenschaftler schätzen, dass es weitere zwei Jahre dauern wird, um alle Filmaufnahmen der US-Atomwaffentests zu digitalisieren und neu auszuwerten. Ziel des Projekts ist es dabei nicht nur, die historischen Dokumente zu erhalten, wie Spriggs betont. Er sieht in diesen Aufnahmen wichtige Denkzettel dafür, warum Atomwaffen niemals mehr eingesetzt werden sollten.

„Ich hoffe, dass wir niemals wieder eine Nuklearwaffe einsetzen müssen“, sagt Spriggs. „Wenn wir die Geschichte festhalten und zeigen, welche Zerstörungskraft diese Waffen haben und welche Verwüstungen sie anrichten, dann zögern die Menschen vielleicht eher, sie zu nutzen.“

(Lawrence Livermore National Laboratory, 21.03.2017 – NPO)

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