Gesellschaft

Facebook: „Echokammer“ auch für News

Selektive Auswahl betrifft auch Nachrichten von etablierten Medien

Schirmen uns soziale Netzwerke von unliebsamen Ansichten ab? © iStock.com

Selektiver News-Konsum: Der berüchtigte Echokammer-Effekt der sozialen Netzwerke betrifft nicht nur private Posts und Fake-News, sondern auch Nachrichten etablierter Medien. Facebook-Nutzer lesen, liken und teilen vornehmlich Meldungen von einigen wenigen, ihnen genehmen Medien, wie eine Studie nun bestätigt. Dieser selektive News-Konsum trage ebenfalls dazu bei, die Polarisierung zu verstärken, so die Forscher.

Soziale Netzwerke wie Facebook verändern nicht nur unsere Kommunikation, sie beeinflussen auch unsere Weltsicht. Denn: Die ausgeklügelten Algorithmen der Netze zeigen die Posts und Nachrichten zuerst, die unseren Vorlieben entsprechen – und verstärken damit unsere bestehenden Meinungen und Vorurteile. Dieser Effekt der Filterblase oder Echokammer wirkt so einer objektiven Information entgegen und sorgt dafür, dass sich Gerüchte und Fake-News schnell verbreiten.

Analyse mit 376 Millionen Nutzern

Wie stark dieser Echokammer-Effekt nicht nur private Posts betrifft, sondern auch die Meldungen von etablierten Nachrichtenportalen, haben nun Ana Lucia Schmidt vom IMT Forschungszentrum in Lucca und ihre Kollegen untersucht. Für ihre Studie werteten sie den News-Konsum von 376 Millionen Facebook-Nutzern zwischen 2010 und 2015 aus.

Die Wissenschaftler analysierten, wie oft und wie lange Nutzer die Meldungen von 920 Medien aus aller Welt auf Facebook teilten, likten und kommentierten und mit wem sie sie teilten. Vertreten waren nahezu alle großen englischsprachigen Fernsehsender, Zeitungen und Nachrichtenmagazine.

„Selektive Präsentation“

Das Ergebnis: Das Prinzip der Facebook-Filterblase gilt auch für die Nachrichten etablierter Medien: „Der News-Konsum auf Facebook ist von selektiver Präsentation dominiert“, berichten die Forscher. Demnach interagieren die meisten Facebook-Nutzer nur mit wenigen Nachrichtenquellen und teilen bevorzugt auch nur die Meldungen dieser Portale. Diese entsprechen in ihrer Ausrichtung häufig den Einstellungen, die die Nutzergruppen ohnehin schon vertreten.

Polarisierung der untersuchten Facebook-Nutzer in Bezug auf ihren News-Konsum: Es bestehen klar abgegrenzte "Communities". © Schmidt et al. / PNAS

„Dadurch bleiben die meisten Nutzer innerhalb spezifischer Cluster“, so Schmidt und ihre Kollegen. „Trotz der breiten Verfügbarkeit von Inhalten und konträren Perspektiven herrscht auch hier eine klare Abtrennung von Gruppen.“ Obwohl theoretisch eine breite Palette von Nachrichten im Netz und auch auf Facebook verfügbar ist, gilt der Filterblasen-Effekt auch für diesen Bereich.

Parallele Meinungswelten

Angesichts der Tatsache, dass viele der sozial relevanten Themen und Nachrichten erst durch unterschiedliche Perspektiven und Ansichten in ihrer Komplexität verständlich werden, sei dies besonders bedenklich. „Debatten, insbesondere über soziale Themen, basieren meist auf miteinander in Konflikt stehenden Sichtweisen“, so die Forscher. Wer jedoch nur eine Seite kenne, dem fehle damit eine wichtige Grundlage für die Diskussion und Meinungsbildung.

Fake-News und Nachrichten aus unseriösen Quellen zu markieren, wie es Google und Facebook praktizieren wollen, ist nach Ansicht der Wissenschaftler deshalb nur bedingt wirksam. Denn angesichts der Einseitigkeit beim Konsum selbst etablierter Medien löst dies das Problem der Desinformation und der parallelen Meinungswelten im Netz nur zum Teil. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2017; doi: 10.1073/pnas.1617052114)

(PNAS, 07.03.2017 – NPO)

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