Mensch als Katalysator: Der Mensch hat die Vielfalt der Minerale auf der Erde so rapide erhöht wie kaum ein Ereignis zuvor. Immerhin 208 Minerale verdanken ihre Entstehung indirekt oder direkt der menschlichen Aktivität, wie eine Studie zeigt. Vor allem der Bergbau und die Metallverarbeitung schufen die Voraussetzung für neue Verbindungen. Die Forscher sehen in dieser Mineralschwemme ein weiteres Kennzeichen des Anthropozäns – des Zeitalters des Menschen.
Unsere Erde birgt eine gewaltige Vielfalt an Mineralen: 5.208 verschiedene Arten sind es bisher offiziell, davon gelten rund 2.500 als selten. Experten schätzen jedoch, dass noch mindestens 1.500 weitere Minerale auf ihre Entdeckung warten.
Produkte der Erdgeschichte
„Die Entwicklung der Minerale erstreckt sich über die gesamte Erdgeschichte“, erklärt Robert Hazen von der Carnegie Institution for Science in Washington. „Über 4,5 Milliarden Jahre hinweg trafen Elemente an spezifischen Orten, Tiefen und Temperaturen aufeinander, um die Minerale zu bilden, die wir heute kennen.“
Das Ereignis, das dabei am stärksten zur großen Mineralvielfalt beigetragen hat, ist die „Große Oxidation“ vor rund zwei Milliarden Jahren – die Zeit, in der die Erde erstmals begann, eine sauerstoffreiche Atmosphäre zu entwickeln. Die Präsenz des Sauerstoffs ermöglichte die Bildung von Oxiden und vielen weiteren Sauerstoffverbindungen und ließ die Zahl der irdischen Minerale sprunghaft in die Höhe schnellen, wie die Forscher berichten.
208 neue Minerale in nur rund 250 Jahren
Doch inzwischen gibt es einen weiteren transformierenden Faktor: den Menschen. Kein anderes Lebewesen hat unseren Planeten stärker verändert – ob durch Technik, menschengemachte Strukturen oder Eingriffe in die Stoffkreisläufe und Landschaft. Ob und wie viele Minerale ihre Entstehung indirekt oder indirekt unseren Aktivtäten verdanken, haben Hazen und seine Kollegen nun erstmals untersucht.
Das Ergebnis: 208 Minerale gäbe es auf unserem Planeten nicht, wenn wir nicht gewesen wären – das entspricht rund vier Prozent der gesamten Mineralvielfalt. „Die meisten dieser Minerale entstanden erst seit Mitte des 18. Jahrhunderts“, berichtet Hazen. Eine so große Mineralzahl in so kurzer Zeit sei für die Erdgeschichte einzigartig. „Wir leben damit heute in einer Ära der beispiellosen Vermehrung anorganischer Verbindungen“, so der Forscher.
Die meisten entstehen beim Bergbau
Die meisten neuen Minerale verdanken ihre Entstehung dem Bergbau: Sie bildeten sich an den Wänden alter Minen, in Erzhalden oder Gruben, weil erst unsere Tätigkeit die chemischen und klimatischen Bedingungen für ihre Entstehung begünstigten. Erst kürzlich haben Forscher beispielsweise drei neue Uranminerale entdeckt, die in einer alten Uranmine in Utah wachsen.
Andere Minerale entstanden durch Reaktionen menschengemachter Metalllegierungen, wie wir sie für unsere Werkzeuge und Technologie erzeugen. Auch viele Bau- und Gebrauchsmaterialien der Menschheit, wie Ziegel, Keramik oder Zement, schufen durch ihre Verwitterung neue Minerale. Wieder andere Minerale bilden sich durch Brände beispielsweise in Kohlenflözen oder bei der Zersetzung von Abfallstoffen und Altmetallen auf Deponien.
„Klares Zeichen des Anthropozäns“
„Diese Minerale und mineralähnlichen Verbindungen werden in der geologischen Schichtenfolge der Zukunft als globaler Horizont neuer kristalliner Verbindungen herausstechen“, erklärt Edward Grew von der University of Maine. „Sie werden als dauerhaftes Kennzeichen dafür erhalten bleiben, dass unser Zeitalter sich von allen vorhergehenden unterscheidet.“
Nach Ansicht der Wissenschaftler ist diese für die Erdgeschichte einmalig rapide und gehäufte Mineralentstehung, aber auch die Umverteilung mineralischer Rohstoffe über den gesamten Globus ein weiteres Kennzeichen dafür, dass wir heute im Anthropozän leben – dem Zeitalter des Menschen. (American Mineralogist, 2017; doi: 10.2138/am-2017-5875)
(Deep Carbon Observatory (DCO), 02.03.2017 – NPO)