Erstaunlich modern: Schon vor gut 75 Jahren hielt der britische Premierminister Winston Churchill außerirdisches Leben durchaus für möglich – und begründete dies mit überraschend wissenschaftlichen Gedankengängen. Das belegt ein nie veröffentlichter Essay des Politikers aus dem Jahr 1939. Lange bevor der erste Exoplanet entdeckt wurde, spekulierte er schon über die Zahl fremder Planeten und die habitable Zone in einem Planetensystem.
Winston Churchill ist heute vor allem als der britische Premier zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und als begnadeter Redner in Erinnerung. Doch der Politiker war auch ungewöhnlich stark an der Wissenschaft interessiert. Er traf sich regelmäßig mit Physikern, Astronomen und Ingenieuren und stellte 1940 als erster britischer Premierminister einen wissenschaftlichen Berater ein. „Zu einer Zeit, in der viele heutige Politiker von Wissenschaft nichts wissen wollen, finde ich diese Erinnerung besonders wichtig“, sagt der Astrophysiker Mario Livio.
75 Jahre verschollener Essay
Doch das Churchill-Manuskript, das Livio vor Kurzem in die Hand gedrückt bekam, überraschte selbst ihn. Der elfseitige Text erwies sich als ein nicht veröffentlichter Essay, in dem Churchill über die Existenz außerirdischen Lebens schreibt. Unter dem Titel“ Sind wir allein im Universum?“, argumentiert der Politiker auf erstaunlich moderne Weise dafür, dass es sowohl fremde Planeten als auch andere Lebensformen geben muss.
„Churchills Gedankengänge spiegeln viele moderne Argumente der Astrobiologie wider“, erklärt Livio. „Er folgt der Idee, dass es angesichts der immensen Größe des Universums kaum glaubhaft ist, dass die Menschheit ein Einzelfall ist.“
Wasser und die habitable Zone
Konkret beginnt Churchill seine Überlegung damit, dass Wasser für alle uns bekannten Lebensformen notwendig ist. Daraus leitet er ab, dass auch auf anderen Planeten Leben nur in einem bestimmten Temperaturbereich möglich ist. „Organismen können nur in der Region zwischen wenigen Minusgraden und dem Siedepunkt des Wassers überleben“, so der Politiker. Churchill beschreibt damit das, was wir heute als habitable Zone bezeichnen.
Ausgehend davon kommt der Politiker zu dem Schluss, dass in unserem Sonnensystem nur Mars und Venus als potenzielle Orte für außerirdisches Leben in Betracht kommen. Alle anderen Planeten seien zu kalt oder zu heiß und der Mond habe eine zu geringe Schwerkraft um eine Atmosphäre zu halten. 30 Jahre vor der ersten Mondlandung und lange bevor Raumsonden die ersten Bilder unserer Nachbarplaneten lieferten, ist das eine bemerkenswerte Erkenntnis.
Gibt es Planeten um andere Sterne?
Analog zur berühmten Drake-Gleichung überlegt Churchill als Nächstes, ob es im Universum noch andere Planetensysteme geben könnte und wenn ja, wie viele. Das Bemerkenswerte daran: Zur damaligen Zeit glaubte man, dass ein Planet nur dann entsteht, wenn ein vorbeiziehender Stern einem anderen einen Gasklumpen entreißt – ein extrem unwahrscheinliches Ereignis.
„Und genau hier glänzt Churchill“, sagt Livio. Denn der Politiker kalkuliert mit ein, dass die gängige Hypothese falsch sein könnte. „Wir wissen, dass es Millionen von Doppelsternen gibt. Wenn sie gebildet werden konnten, warum dann nicht auch Planetensysteme?“, fragt er in seinem Essay. „Ich bin nicht so vermessen zu glauben, dass meine Sonne die einzige mit einer Familie von Planeten ist.“
„Nicht der einzige Ort mit lebenden, denkenden Kreaturen“
Nach Churchills Überlegungen ist es daher durchaus wahrscheinlich, dass es um fremde Sterne auch Planeten gibt, die lebensfreundliche Bedingungen bieten. „Ein großer Teil dieser Planeten wird die richtige Größe haben, um Wasser und eine Atmosphäre zu besitzen und von diesen werden einige in der richtigen Entfernung um ihre Muttersonne kreisen, um günstige Temperaturen zu gewährleisten“, so der Politiker.
Angesichts der eher trüben Weltlage am Vorabend des Zweiten Weltkriegs schließt Churchill: „Ich jedenfalls bin vom Erfolg unserer Zivilisation nicht so beeindruckt, dass ich glauben möchte, dass wir der einzige Ort in diesem immensen Universum mit lebenden, denken Kreaturen sind.“ Er könne sich nur schwer vorstellen, dass wir Menschen wirklich die höchste Form der mentalen und körperlichen Entwicklung darstellen sollen, die es je in Zeit und Raum gab. (Nature, 2017; doi: 10.1038/542289a)
(Nature, 17.02.2017 – NPO)