Vitamin D statt C? Das Knochenvitamin D könnte vorbeugend gegen Atemwegsinfektionen wirken, das zumindest legt eine Metastudie mit insgesamt gut 11.000 Teilnehmern nahe. Allerdings: Eine signifikante Schutzwirkung konnten die Forscher nur bei denjenigen feststellen, die zuvor unter gravierendem Vitamin-D-Mangel litten. Nach Ansicht anderer Mediziner ist es daher nicht sinnvoll, bei sich anbahnendem Schnupfen gleich zur Vitamintablette zu greifen.
Vitamin D ist wichtig für den Knochenaufbau, soll das Gehirn stärken und sogar gegen Krebs vorbeugen helfen – so das gängige Bild. Klar scheint: Leidet ein Mensch an Vitamin-D-Mangel, kann dies im Alter nicht nur Osteoporose fördern, es kann auch das Demenzrisko erhöhen. Stark umstritten ist allerdings, ob die Einnahme des „Sonnenvitamins“ auch für gesunde, nicht von Mangelerscheinungen betroffene Menschen sinnvoll ist.
Umstrittene Wirkungen
Wie viele Vitamine hat Vitamin D jedoch auch Schattenseiten: Erst vor Kurzem ergab eine Studie, dass hochdosiertes Vitamin D bei älteren Menschen sogar zu mehr Stürzen und Knochenbrüchen führt, statt sie davor zu bewahren. Die Einnahme des Vitamins in der Schwangerschaft erhöht zudem das Risiko, dass das Kind später eine Nahrungsmittel-Allergie entwickelt.
Strittig war bisher auch, ob Vitamin D als Vorbeugung gegen Erkältungen, Bronchitis oder Lungenentzündung helfen kann. Einige Studien fanden einen Zusammenhang zwischen niedrigen Blutwerten der Vorläufersubstanz 25-hydroxyvitamin D und einer erhöhten Anfälligkeit für Atemwegserkrankungen. Andere jedoch konnten keinerlei signifikante Effekte feststellen.
Es gibt eine Schutzwirkung…
Um mehr Klarheit zu bringen, haben Adrian Martineau von der Queen Mary University of London und seine Kollegen nun die Ergebnisse von 25 bisherigen klinischen Studien mit insgesamt 11.321 Teilnehmern ausgewertet. In ihre Analyse gingen dabei die Ergebnisse aller einzelnen Probanden ein, nicht nur die Gesamtergebnisse, wie sie betonen.
Das Ergebnis: Bei den Menschen, die zusätzliches Vitamin D eingenommen hatten, war das Risiko für eine Atemwegsinfektion durchschnittlich um 12 Prozent geringer, wie die Forscher berichten. Am stärksten zeigten sich die positiven Effekte, wenn die Teilnehmer regelmäßig täglich oder wöchentlich das Vitamin einnahmen. Kinder profitierten zudem stärker vom Schutzeffekt als Erwachsene.
..aber nicht bei allen
Allerdings: Eine wirklich signifikante Schutzwirkung gab es nur bei den Teilnehmern, deren Vitamin-D-Gehalt im Blut zuvor unter 25 Nanomol pro Liter lag – dies entspricht einem schwerwiegenden Vitamin-D-Mangel. Lagen die Blutwerte über diesem Wert, gab es keine messbaren Effekte auf das Erkrankungsrisiko, wie Martineau und seine Kollegen einräumen.
Nach Ansicht der Forscher sind ihre Ergebnisse dennoch für die öffentliche Gesundheit relevant. „Atemwegsinfektionen sind allein in den USA für Millionen von Besuchen in Notaufnahmen und Arztpraxen verantwortlich“, sagt Koautor Carlos Camargo vom Massachusetts General Hospital. „Unsere Ergebnisse könnten daher eine große Wirkung auf unser Gesundheitssystem haben. Außerdem stützen sie die Bestrebungen, Lebensmittel mit Vitamin D zu versetzen, vor allem in Populationen mit verbreitetem Vitamin-D-Mangel.“
„Skepsis ist angebracht“
Andere Mediziner sind jedoch skeptisch: „Dies ist eine weitere Hypothese zur Vitamin-D-Gabe, die erst noch in adäquaten und kontrollierten Studien getestet werden muss“, kommentieren Mark Bolland von der University of Auckland und Alison Avenell von der University of Aberdeen. „Denn diese Ergebnisse sind sehr heterogen und auf die normale Bevölkerung nur bedingt übertragbar.“
Der Hauptkritikpunkt: Dieser Metaanalyse lagen Beobachtungsstudien zugrunde – Studien, bei denen Daten zu Gesundheit und Lebensweise von Probanden erfasst und im Nachhinein korreliert werden. Als weitaus aussagekräftiger gelten jedoch klinische Studien, in denen zwei Teilnehmergruppen unter kontrollierten Umständen die zu testende Substanz oder aber ein Placebo erhalten.
Nach Ansicht von Bolland und Avenell ist daher die Einnahme von Vitamin-D-Tabletten nur für wenige Menschen wirklich zu empfehlen: „Die aktuellen Belege stützen eine Vitamin-D-Gabe zur Krankheitsvorbeugung nicht“, sagen sie. „Ausnahmen sind Menschen mit sehr niedrigen Vitamin-D-Blutwerten unter 25 Nanomol pro Liter, die dadurch ein hohes Risiko für Knochenabbau haben.“ (British Medical Journal (BMJ), 2017; doi: 10.1136/bmj.i6583)
(BMJ, 16.02.2017 – NPO)