Cannabis als Kassenleistung: Künftig können schwerkranke Patienten Cannabis-Arzneimittel auf Rezept verschrieben bekommen. Bisher durften solche Mittel in Ausnahmefällen zwar genutzt werden, mussten aber selbst bezahlt werden. Das neue Gesetz soll es ermöglichen, dass Cannabis bei der Krebsbehandlung, in der Schmerztherapie und bei Patienten mit Multipler Sklerose zur Linderung der Beschwerden eingesetzt wird.
Dass Cannabis nicht nur berauschend wirkt, sondern auch medizinisch positive Effekte hat, wussten vermutlich schon unsere Vorfahren. Vor allem der Hanf-Inhaltsstoff Cannabidiol (CBD), aber auch das für die Rauschwirkung verantwortliche Tetrahydrocannabinol (THC) lagern sich im Körper an spezielle Rezeptoren an und können Schmerzen lindern, Krämpfe lösen und beispielsweise die bei der Krebstherapie häufige Übelkeit mildern, wie Studien zeigen.
Andererseits hat gerade der länger anhaltende Cannabis-Konsum auch Nebenwirkungen: So kann das Mittel den Ausbruch von Psychosen und Schizophrenie fördern, erhöht das Osteoporose-Risiko und erzeugt Taktstörungen im Gehirn. Wer lange Jahre stark kifft, tut seiner Gesundheit daher eher wenig Gutes.
Letzte Hoffnung
Doch für viele schwerkranke Patienten kann Cannabis die letzte Hoffnung sein, ihre Beschwerden zu lindern und so ihr Leben zumindest erträglich zu gestalten. Aus diesem Grund hatten schon vor der aktuellen Gesetzesänderung rund 1.000 Patienten in Deutschland eine Ausnahmegenehmigung erhalten und durften Cannabisblüten oder – Extrakte aus der Apotheke beziehen – allerdings mussten sie diese Mittel selbst bezahlen.
„Eine Vielzahl von Patienten leidet unter schwerwiegenden Erkrankungen, für die es bislang keine wirksame Schmerztherapie gibt. Wir wollen, dass die Schmerzen dieser Menschen gelindert werden können“, erklärte die CDU/CSU-Fraktion anlässlich der Gesetzesentscheidung. Das neue Gesetz macht es für Patienten mit schweren Erkrankungen nun erheblich leichter, Cannabis zu bekommen.
Was ändert sich mit dem Gesetz?
Die Cannabis-haltigen Mittel können nun wie andere Arzneimittel auch auf Rezept verschrieben werden. Das bedeutet, dass die Krankenkassen die Kosten erstatten. Voraussetzung ist, dass eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt und keine Alternativbehandlung möglich und wirksam ist. Patienten müssen zudem einwilligen, dass ihre Daten anonymisiert zu Forschungszwecken vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausgewertet werden.
Die Krankenkassen ihrerseits dürfen die Verordnung nur in begründeten Ausnahmefällen verweigern und müssen zudem innerhalb von mindestens fünf Wochen über die Kostenübernahme entschieden. Im Hospiz und in der Palliativversorgung muss die Entscheidung sogar in drei Tagen gefallen sein. Die Einfuhr und Verteilung der Cannabismittel an die Apotheken soll künftig eine zentrale Cannabis-Agentur regeln. Sie soll später auch den kontrollierten Anbau von Cannabis zu medizinischen Zwecken bei uns überwachen.
Eigenanbau bleibt verboten
„Hiermit fällt voraussichtlich ab März 2017 für viele Menschen mit chronischen therapieschwierigen Schmerzen die entscheidende Hürde für den medizinischen Einsatz von Cannabis-haltigen Arzneien“, kommentierte Michael Überall, Präsident der Deutschen Schmerzliga e.V., die gestrige Entscheidung des Bundestages. „Auch das frustrierende Warten auf einen Entscheid über die Kostenübernahme als auch die hohe Zahl an ablehnenden Bescheiden hat endlich ein Ende.“
Allerdings: Weiterhin verboten bleiben in Deutschland der Eigenanbau von Cannabis, der Handel damit und der Besitz und Konsum außerhalb der jetzt erlaubten medizinischen Nutzung. Ob Cannabis zukünftig generell legalisiert werden soll, wie beispielsweise schon in einigen Bundesstaaten der USA der Fall, ist weiter stark umstritten.
„Jeder weiß: Medikamente haben Risiken und Nebenwirkungen. Es wäre fahrlässig und falsch, aus dem medizinischen Einsatz zu folgern, dass Cannabis als Genussmittel harmlos wäre“, kommentierte dazu Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer. Die Diskussion um die Legalisierung von Cannabis wird daher wohl noch eine Weile weitergehen, aber zumindest die Patienten, denen die Wirkstoffe helfen, haben es jetzt ein wenig leichter.
(Deutsche Schmerzliga, Dt. Apothekerverbände, Bundesgesundheitsministerium, 20.01.2017 – NPO)