Schreiben und Lesen im Picosekunden-Takt: Ein Computerspeicher aus Granatkristall hat neue Rekorde beim magnetischen Speichern von Daten erzielt. Ein Schreib-Lese-Vorgang dauert weniger als 20 Billionstel Sekunden und setzt noch dazu kaum Abwärme frei. Der Clou daran: Die Magnetisierung der Bits auf dem Granatkristall lässt sich durch einen gepulsten Laser ändern – und das ohne dass starke Hitze nötig ist, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Ob im PC oder in den Datenzentren der Cloud- und Streaminganbieter: Die meisten Daten werden heute noch immer auf magnetischen Festplatten gespeichert – dem „Arbeitspferd“ der Computerindustrie. Dabei ändert ein Schreibkopf mittels elektrischem Impuls die Magnetisierung winziger Plattenbereiche und erzeugt so Nullen oder Einsen. Der große Nachteil dabei: Diese Magnetspeicherung ist nicht die schnellste und produziert zudem viel Abwärme.
Schnell, aber heiß
Um dieses Problem zu lösen, experimentieren Forscher mit optisch schaltbaren Magnetspeichern. Bei diesen ersetzt ein gepulster Femtosekunden-Laser den Schreibkopf und beschleunigt so das Speichertempo erheblich.
Das Problem dabei: Damit die Bits ihre Magnetisierung ändern, müssen sie stark erhitzt werden – bis nahe an die Temperaturgrenze, die die Magnetisierung komplett aufhebt. Das wiederum macht die Speicher instabiler und fehleranfälliger, erzeugt viel Abwärme und bremst das Speichertempo herunter. Denn jeder Schreibvorgang muss warten, bis das benachbarte Bit ausreichend heruntergekühlt ist, sonst würde es sich mitändern.
Granatkristall statt Metall-Festplatte
Eine andere Lösung für optisch gesteuerte Magnetspeicher haben nun Alexey Kimel von der Radboud Universität und seine Kollegen entwickelt. Auch sie verwenden einen roten Femtosekundenlaser als Schreibkopf, kombinieren ihn jedoch mit einer völlig neuen Art von Magnetspeicher. Statt einer metallbasierten Festplatte dient ihnen eine transparente Scheibe aus Yttrium-Eisen-Granat mit Kobalt-Ionen als Speicher.
Der entscheidende Unterschied: In Metallen gibt es viel frei bewegliche Elektronen, die für schnelle Absorption von Licht und Wärme sorgen. Yttrium-Eisen-Granat ist dagegen dielektrisch und daher kaum leitfähig. Damit der transparente Kristall seine Magneteigenschaften trotzdem durch Laserlicht wechselt, dotierten die Forscher den Granat mit Kobalt-Ionen. Ändert man nun die Polarisation des Lasers, wechselt der Speicher seine Magnetisierung – ohne das große Hitze nötig ist.
Rekorde in Tempo und Energie
Im Experiment erreichten die Forscher mit diesem neuartigen Magnetspeicher extrem hohe Geschwindigkeiten: Ein Schreib-Lesevorgang benötigt weniger als 20 Picosekunden – das entspricht 20 Billionstel Sekunden. „Unseres Wissens nach ist dies das schnellste jemals erzielte Schreib-Lese-Ereignis bei einem Magnetspeicher“, konstatieren Kimel und seine Kollegen.
Aber nicht nur das: Der Speichervorgang erzeugt auch wenig Abwärme, weil weder große Hitze noch eine große Anzahl an Photonen für das Umklappen der Magnetisierung benötigt werden. Die Wärme entspricht weniger als sechs Joule pro Kubikzentimeter, wie die Tests ergaben. „Das ist viel weniger als beim optischen Umschalten von Metallen, existierenden Festplatten oder Flashspeichern“, sagen die Forscher.
Einsatz in großen Datenzentren
Wo aber liegen die Anwendungen dieses doch eher exotischen Speichermaterials? Wie die Forscher einräumen, werden Granatspeicher wohl nicht so schnell in unseren PCs zum Standard werden „Das würde zu viele technische Umstellungen erfordern“, erklärt Kimel. „Aber für die großen Datenzentren von Google, Facebook und Co könnte es eine interessante Alternative sein.“ Angesichts der enormen Kosten für die Kühlung solcher Rechenzentren könnte sich der Umstieg auf Granatspeicher lohnen.
Eine weitere Einsatzmöglichkeit wäre bei zukünftigen Quantencomputern oder supraleitender Elektronik. ‚“Bisher gibt es dafür kein ultraschnelles Speichersystem, das noch bei Temperaturen unter minus 263 Grad Celsius funktioniert“, sagt Kimel. Der optische gesteuerte Granatspeicher könnte diese Lücke aber schließen. (Nature, 2017; doi: 10.1038/nature20807)
(Radboud University, 19.01.2017 – NPO)