Männer als störanfälligeres Geschlecht? Wenn es bei einem Spiel auf Geschick und Konzentration ankommt, sollten Männer dabei lieber keinen Hardrock hören. Denn wie ein Experiment belegt, machen sie dann deutlich mehr Fehler als ohne Musik oder bei Mozartklängen. Spannend auch: Frauen scheinen immun gegen den Störeffekt der Rockmusik. Sie schnitten bei jeder Beschallung gleich gut ab.
Gerade bei Jugendlichen geht es oft kaum ohne Musik: Ob beim Spielen, beim Lernen oder beim Stadtbummel: Die Lieblingssongs sind immer mit dabei. Überraschenderweise ergab schon vor einigen Jahren eine Studie, dass diese Berieselung selbst beim Lernen kein Problem für Schulkinder ist – ihre Lernfähigkeit wird dadurch nicht beeinträchtigt. Ob dies auch für Erwachsene und für andere Situationen gilt, ist dagegen weniger klar.
Organentnahme bei „Sam“
Wie sehr beeinflusst uns beispielsweise Musik, wenn es um Geschicklichkeit und Konzentration geht? Um das herauszufinden, haben Daisy Fancourt vom Imperial College London und ihre Kollegen 352 Besucher eines Festivals auf die Probe gestellt. Aufgabe war es, das Spiel „Cavity Sam“ zu bewältigen.
Bei diesem Spiel geht es darum, einem gemalten „Patienten“ mit einer Pinzette durch enge Löcher einige seiner „Organe“ zu entnehmen. Stößt man an die Lochränder, ertönt ein Signal und diese Ungeschicklichkeit wird als Fehler gewertet. Die Forscher maßen, wie viel Zeit und Fehler die Teilnehmer benötigten, um „Sam“ drei Organe zu entnehmen.
Der Clou dabei: Per Kopfhörer hörten die Probanden dabei entweder ein Stück von AC/DC, von Mozart oder aber die Geräuschkulisse eines Operationssaales.
Störeffekt nur bei Männern
Das überraschende Ergebnis: Bei den Männern spielt es eine Rolle, welche Musik sie beim Spiel hörten – bei den Frauen aber nicht. Ertönte ASC/DC aus dem Kopfhörer, brauchten die männlichen Probanden länger für ihre „Organentnahmen“ und machten zudem mehr Fehler. Hörten sie dagegen Mozart oder OP-Geräusche, blieben sie konzentrierter und schnitten besser ab.
Anders bei den Frauen: Sie benötigten zwar insgesamt mehr Zeit für ihre Aufgabe, machten aber im Durchschnitt dafür weniger Fehler. Insgesamt „überlebte“ ihr Patient daher häufiger als bei den männlichen Probanden. Ob die Frauen beim Spielen Musik hörten und welche, beeinflusste ihr Abschneiden dabei erstaunlicherweise nicht, wie die Forscher berichten.
Anfälliger für akustischen Stress?
Dass Hardrock ablenkender wirkt als eine klassische Sonate ist noch relativ gut erklärlich: Schon der schnellere und stärker ausgeprägte Rhythmus des AC/DC-Stücks könnte für den größeren Störeffekt sorgen. Warum aber Frauen für diese Störungen überhaupt nicht anfällig scheinen, ist auch Fancourt und ihren Kollegen vorerst ein Rätsel.
Möglicherweise, so vermuten die Forscher, sind Männer anfälliger für akustische Störungen als Frauen. Die Rockmusik könnte bei ihnen mehr Stress auslösen und daher die Konzentration stärker beeinträchtigen. Ob diese Hypothese stimmt, müssten nun weitere Studien überprüfen, beispielsweise mit Hilfe von Hirnscannern.
Musik im OP – hilfreich oder störend?
Relevant sind diese Ergebnisse jedoch für weit mehr als nur unsere Freizeit. „Diese Studie ist Teil unserer Forschung zum Einfluss von Musik auf Leistungen im medizinischen Kontext, beispielsweise im Operationssaal“, erklärt Fancourt. Berichten von Medizinern zufolge läuft in vielen OPs Musik – immerhin in bis zu 72 Prozent der Zeit.
Ob diese Musik die Arbeit der Chirurgen und Anästhesisten beflügelt oder eher hemmt, ist bisher strittig. Einige Studien haben festgestellt, dass Hiphop oder Reggae das Tempo und das Geschick der Operateure sogar fördern kann. Andere ergaben, dass Musik bei jedem vierten Narkosearzt die Wachsamkeit beeinträchtigt. Glaubt man den Ergebnissen des Spielexperiments, wäre es wohl auf jeden Fall günstiger, wenn im OP Mozart statt Hardrock läuft. (Medical Journal of Australia, 2016; doi: 10.5694/mja16.01045)
(Imperial College London, 28.12.2016 – NPO)