Erstaunliche Verknüpfung: Wenn sich die rechte Hand bewegt, lernt die linke automatisch mit. Das zeigt nun ein Experiment: Demnach lässt sich die Beweglichkeit der linken Hand verbessern, indem man die rechte Hand trainiert. Allerdings bedarf es dazu eines Tricks, wie Forscher im Fachmagazin „Cell Reports“ berichten. Die Ergebnisse könnten künftig Menschen mit Bewegungseinschränkungen in den Händen helfen.
Übung macht den Meister – nach diesem Motto gilt die häufige Wiederholung als beste Methode, um etwas zu lernen. Das trifft auch für Bewegung und Sport zu: Wer ein perfekter Basketballspieler werden will, muss demnach im Idealfall täglich dribbeln und Körbe werfen. Wer dagegen im Schwimmen zur Höchstform auflaufen möchte, darf den regelmäßigen Sprung ins Wasser nicht scheuen.
Doch das praktische Üben ist nicht alles, wie die Wissenschaft inzwischen weiß. Auch mentale Vorgänge spielen eine wichtige Rolle für den Lernprozess. So belegen Studien etwa, dass schon das reine Beobachten eines motorischen Ablaufs viel bewirkt: Muskeln und Gehirn werden ähnlich aktiv wie beim tatsächlichen Ausführen und der Betrachter kann die entsprechende Bewegung danach besser ausführen als vorher – auch wenn er die Übung nie zuvor körperlich trainiert hat.
Simulierte Hände
Ori Ossmy und Roy Mukamel von der Tel-Aviv University haben nun untersucht, ob das auch seitenverkehrt funktioniert: Lernt die linke Hand mit, wenn die rechte eine Bewegung ausführt? Oder stimmt das Sprichwort, dass die linke Hand nicht weiß, was die rechte tut? Um das zu überprüfen, ließen die Forscher 53 Probanden zur Fingerübung antreten.
Das Besondere: Während die Teilnehmer ihre rechte Hand nach einem vorgegebenen Muster bewegten, beobachteten sie simulierte Versionen ihrer Hände durch eine VR-Brille. Diese bildete allerdings nicht die Realität ab: Stattdessen zeigte der Bildschirm, wie sich die linke anstatt der rechten Hand bewegte. Bei einem zweiten Experiment wurden die Probanden ebenfalls in die Irre geführt: Sie bewegten ihre rechte Hand, mithilfe eines motorisierten Handschuhs wurde jedoch auch die linke Hand passend dazu bewegt. Auf dem Bildschirm sahen sie nur die linke Hand in Bewegung.
Gehirn wird ausgetrickst
Danach testeten die Wissenschaftler, ob sich die motorischen Fähigkeiten der Teilnehmer durch die Übungen verändert hatten. Als Vergleich dienten ihnen Werte aus einem vorangegangenen Test. Tatsächlich zeigte sich: Obwohl die Probanden beim ersten Experiment nur ihre rechte Hand trainiert hatten, schnitt auch die linke nun deutlich besser ab und konnte sich zum Beispiel präziser und schneller bewegen. Noch frappierender war dieser Effekt beim Experiment mit dem motorisierten Handschuh.
„Das zeigt, dass unsere Hände auch dann lernen können, wenn sie nicht von uns selbst aktiv bewegt werden“, sagt Mukamel. Doch warum ist das so? „Wir tricksen das Gehirn aus“, erklären die Forscher. Dank der VR-Brille glaubten die Versuchsteilnehmer, dass sie die linke Hand selbständig bewegten – und das hatte offenbar einen ähnlichen Effekt wie eine reale Fingerübung.
„Linke Hand weiß, was die rechte tut“
Insbesondere eine Region des Gehirns scheint für das Phänomen von Bedeutung zu sein. Ein Blick ins Denkorgan der Probanden via funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) offenbarte: Während des Trainings war bei allen Probanden ein Teil des Parietallappens, der Lobus parietalis superior, aktiv. Interessant dabei: Je stärker dieser Bereich im Experiment aktiviert wurde, desto besser schnitt später die linke Hand im Bewegungstest ab.
„Zumindest was motorische Fähigkeiten angeht, weiß die linke Hand unseren Ergebnissen zufolge sehr wohl, was die rechte tut. Und wahrscheinlich wird diese Information über den Lobus parietalis superior vermittelt“, schreiben Mukamel und Ossmy.
Neuer Therapieansatz
Sie glauben, dass die neuen Erkenntnisse in Zukunft Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen helfen können. Von der Methode könnten etwa Patienten profitieren, denen die Kontrolle über eine Hand oder die Kraft beim Greifen fehlt. „Eine Hand trainieren zu können, ohne sie aktiv bewegen zu müssen und dabei trotzdem signifikante Verbesserungen zu erzielen – das ist das Ideal“, schließt das Team. Künftige Studien müssten allerdings zeigen, wie der Ansatz im Vergleich zu traditionellen Therapien abschneide. (Cell Reports, 2016; doi: 10.1016/j.celrep.2016.11.009)
(Cell Press, 14.12.2016 – DAL)