Mikrobiologie

Höhlenmikrobe erweist sich als „Superkeim“

Seit Jahrmillionen isoliertes Höhlenbakterium ist gegen 26 Antibiotika resistent

Blick in den "Chandelier Ballroom" der Lechugilla-Höhle. Das Höhlensystem ist 200 Kilometer lang und war Jahrmillionen von der Außenwelt abgeschlossen. © Dave Bunnell / CC-by-sa 2.5 gen

Super-Mikrobe aus dem Höhlendunkel: In der Lechugilla-Höhle in New Mexico haben Forscher ein Bakterium entdeckt, das gleich gegen 26 Antibiotika resistent ist. Es besitzt zudem fünf bisher komplett unbekannte Resistenz-Mechanismen. Das Erstaunliche daran: Diese Mikroben waren mehr als vier Millionen Jahre von der Außenwelt abgeschlossen. Ein Kontakt mit Antibiotika kann daher nicht die Ursache dieser Widerstandsfähigkeit sein.

Immer mehr Krankheitserreger werden gegen Antibiotika resistent. Viele dieser „Superkeime“ lassen dadurch kaum mehr bekämpfen. Als Ursache der fortschreitenden Resistenzen gilt vor allem der unkontrollierte Einsatz von Antibiotika in Tierzucht und Medizin. Doch Resistenzen bei Bodenbakterien und sogar bei 30.000 Jahre lang eingefrorenen Mikroben aus dem Permafrost belegen: Biochemische Abwehrwaffen gegen Antibiotika sind keine neuzeitliche Erfindung der Mikroben.

Mikrobenleben in Naturerbe-Höhle

Ganz besondere Rekordhalter in Sachen Antibiotikaresistenz entdeckten Gerry Wright von der kanadischen McMaster University und seine Kollegen im Jahr 2012 in der Lechugilla-Höhle in New Mexico. Dieses riesige Höhlensystem erstreckt sich über mehr als 200 Kilometer und reicht gut 500 Meter in die Tiefe. Es gehört zum UNESCO Weltnaturerbe.

Einige Höhlenteile sind seit mindestens vier Millionen Jahren von der Oberfläche abgeschnitten, wie die Forscher berichten. Dennoch gibt es in der Höhle Bakterien. Sie gewinnen ihre Energie aus chemischen Prozessen am und im Höhlengestein, medizinische oder natürliche Antibiotika jedoch gibt es in dieser Umwelt nicht. Dennoch sind einige dieser Mikroben sogar multiresistent, wie Tests ergaben.

Gut 300 Meter unter der Oberfläche entdeckten die forscher die Bakterien der Gattung Paenibacillus. © Max Wisshak

Immun gegen 26 Antibiotika

Einen dieser bakterielle Höhlenbewohner haben sich Wright und seine Kollegen nun näher angeschaut. Paenibacillus sp. stammt aus einem entlegenen Höhlenteil in rund 300 Metern Tiefe. Um seine Resistenzen zu testen, setzen die Forscher diese Mikrobe 40 verschiedenen Antibiotika aus. Diese setzen an ganz unterschiedlichen Zellprozessen der Bakterien an, um sie abzutöten.

Das überraschende Ergebnis: 26 der 40 Antibiotika konnten Paenibacillus nichts anhaben – er war gegen die normalerweise tödlichen Bakteriengifte völlig immun. Und nicht nur das: Seine Widerstandskraft übertraf sogar die des berüchtigten Krankenhauskeims Staphylococcus aureus (MRSA). Auch eine Verwandte Art der Gattung Paenibacillus von der Oberfläche war deutlich anfälliger als die Höhlenmikrobe.

Resistent seit Jahrmillionen

Aber warum? Wie kommt eine seit Jahrmillionen von allen Antibiotika isolierte Mikrobe dazu, Abwehrmechanismen gegen diese Keimgifte zu entwickeln? Um das herauszufinden, analysierten die Wissenschaftler die Gene und Mechanismen, die das höhlenlebende Paenibacillus immun machen.

Dabei zeigte sich: Paenibacillus nutzt eine Vielzahl von Methoden, um sich gegen die Wirkung der Antibiotika zu schützen. Einige dieser Resistenz-Mechanismen ähneln denen von im Boden lebenden Keimen, wie Wright und seine Kollegen berichten. Fünf Abwehrmethoden jedoch waren bisher völlig unbekannt. Die Genanalysen enthüllten zudem, dass das Bakterium seine Resistenzen schon seit Millionen von Jahren besitzt.

Für die Forscher ist damit klar: Der Paenibacillus -„Superkeim“ aus der Lechugilla-Höhle kann seine erstaunlichen Abwehrkräfte nicht durch den Einfluss der modernen Medizin erworben haben. Stattdessen gibt es die Gene für solche Resistenzen schon länger als es uns Menschen gibt. Warum diese Mikrobe allerdings diese Schutzmechanismen selbst in der isolierten Höhle beibehalten und sogar ausgebaut hat, bleibt vorerst rätselhaft. (Nature Communications, 2016; doi: 10.1038/ncomms13803)

(McMaster University, 09.12.2016 – NPO)

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