Erster Beweis nach 80 Jahren? Astronomen könnten den ersten Beleg für einen vor Jahrzehnten postulierten Quanteneffekt des Vakuums gefunden haben. Demnach führen Quantenfluktuationen im leeren, stark magnetisierten Raum dazu, dass sich die Polarisation von Licht verändert. Beim Licht eines Neutronensterns könnten die Forscher nun erstmals diese Vakuumdoppelbrechung nachgewiesen haben.
Das Vakuum des Alls ist nicht leer – auch wenn dies auf den ersten Blick so scheint. Stattdessen ist der Weltraum nach gängiger Theorie von Quantenfluktuationen erfüllt: Ständig entstehen dort kurzlebige Paare aus virtuellen Teilchen und Antiteilchen. Einer Hypothese nach könnten diese Quantenfluktuation sogar hinter der rätselhaften Dunklen Energie stecken – und dafür sorgen, dass Information doch aus einem Schwarzen Loch entkommen kann.
Schon vor 80 Jahren postuliert
Bereits vor rund 80 Jahren sagten die Physiker Werner Heisenberg und Hans Heinrich Euler einen weiteren Effekt der Quantenfluktuationen voraus: Unter dem Einfluss sehr starker Magnetfelder verändern sich Raum und Vakuum so, dass sie die Polarisation des Lichts beeinflussen. „Gemäß der Quantenelektrodynamik (QED) verhält sich ein hochmagnetisiertes Vakuum für die Ausbreitung des Lichts wie ein Prisma“, erklärt Roberto Mignani vom INAF in Mailand.
Diese sogenannte Vakuumdoppelbrechung müsste demnach die Polarisation eines Lichtstrahls verändern – theoretisch. Doch in den letzten 80 Jahren ist nicht gelungen, diesen Vakuum-Effekt experimentell nachzuweisen. Auch das PVAS-Experiment in Italien, bei dem ein Laserstrahl durch ein Vakuum in starkem Magnetfeld geschickt wurde, konnte den Effekt nur eingrenzen, nicht eindeutig nachweisen.
Neutronenstern als Testobjekt
Jetzt jedoch könnten Mignani und seine Kollegen erstmals einen Beleg für die Vakuumdoppelbrechung gefunden haben – und das nicht im Labor, sondern an seinem Ursprung, im Weltall. Für ihre Studie hatten sie den 400 Lichtjahre entfernten Neutronenstern RXJ1856.5-3754 mit dem mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile beobachtet. Dieser Stern gehört zu den isoliert stehenden Neutronensternen und eignet sich daher besonders gut für die Beobachtungen.
Neutronensterne sind die Überreste massereicher Sterne, die als Supernovae explodiert sind. Übrig bleibt nur der extrem verdichtete Stern des Kerns. Für die Messung entscheidend aber ist eine weitere Eigenschaft: Neutronensterne besitzen starke Magnetfelder, die milliardenfach stärker sind als das unserer Sonne. Theoretisch müsste daher das Vakuum in ihrer Umgebung eine Vakuumdoppelbrechung zeigen.
„Überschüssige“ Polarisation
Und tatsächlich: Als die Astronomen die Strahlung des Neutronensterns mit Hilfe des FORS2-Instruments analysierten, registrierten sie eine Auffälligkeit: „In Abwesenheit der Polarisationseffekte der Vakuumdoppelbrechung müsste die Strahlung eines solchen Sterns drastisch depolarisiert sein“, berichten Mignani und seine Kollegen. Doch bei RXJ1856.5-3754 war dies nicht der Fall: Die Forscher wiesen eine lineare Polarisation von rund 16 Prozent nach.
„Unsere Modelle können die hohe lineare Polarisation, die wir mit dem VLT gemessen haben, nur schwer erklären, wenn die durch die QED prognostizierten vakuumdoppelbrechenden Effekte nicht berücksichtigt werden“, sagt Mignani. Andere Möglichkeiten – zum Beispiel eine Polarisation durch Streuung an Staubkörnern – passten nicht zu den Beobachtungsdaten.
„Erster observationeller Beleg“
Nach Ansicht der Astronomen muss die von ihnen beobachtete Polarisation daher durch die Vakuumdoppelbrechung verursacht worden sein – und könnte damit erstmals dieses Quantenphänomen beweisen. „Unsere Messungen stellen die ersten observationellen Belege für die von der Quantenelektrodynamik vorhergesagten Polarisationseffekte des Vakuums dar“, konstatieren die Forscher.
Wie sie erklären, müssen nun nachfolgende Polarisationsmessungen des Neutronensterns RXJ1856.5-3754 ihre Ergebnisse bestätigen und verbessern. Polarisationsmessungen bei weiteren isolierten Neutronensternen könnten ebenfalls dazu beitragen, die Belege für die Vakuumdoppelbrechung robuster zu machen.
„Polarisationsmessungen mit der nächsten Generation an Teleskopen, wie dem European Extremly Large Telescope der ESO, könnten eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Effekte der Vakuumdoppelbrechung, die von der QED vorhergesagt werden, an vielen weiteren Neutronensternen zu untersuchen“, sagt Mignani. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society., in press; arXiv:1610.08323)
(ESO, 01.12.2016 – NPO)