Von wegen passiv: Biologen haben zwei Schneckenarten entdeckt, die sich auf ungewöhnliche Weise gegen Angreifer wehren. Statt sich in ihr Schneckenhaus zurückzuziehen, gehen die Mollusken in die Offensive: Sie schlagen mit ihrem Haus nach dem Angreifer und versuchen ihn so zu verscheuchen. Zumindest gegen gefräßige Käfer funktioniert diese Strategie ganz gut, wie die Forscher im Fachmagazin „Scientific Reports“ berichten.
Schnecken sind durchaus spannende Tiere, auch wenn man ihnen dies nicht ansieht. So sind die Weichtiere bekannt für ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber Umweltgiften oder ihre bizarren Sexualpraktiken, bei denen sie ihrem Partner eine Spritze zwischen die Augen rammen oder sie einen nachwachsenden Einwegpenis nutzen.
Überraschende Ausnahme
Im Kampf gegen einen Fressfeind jedoch sind die Schnecken weniger rabiat: Werden sie angegriffen, ziehen sich die meisten Landschnecken in ihr schützendes Haus zurück. Doch es gibt offenbar skurrile Ausnahmen, wie Yuta Morii von der Universität Hokkaido und seine Kollegen durch Zufall entdeckten.
Für ihre Studie hatten sie Schnecken der Gattung Karaftohelix auf der Insel Hokkaido und im Osten Russlands untersucht und verglichen. Im Rahmen ihrer Untersuchung testeten die Forscher auch, wie sich verschiedene Karaftohelix-Arten verhielten, wenn sie mit einer Pinzette gestupst oder von einem Laufkäfer angegriffen wurden – einem ihrer häufigsten Fressfeinde.
Offensive statt Rückzug
Das überraschende Ergebnis: Nur sechs der acht Arten zogen sich beim Angriff passiv in ihr Haus zurück. Die beiden restlichen jedoch gingen in die Offensive: „Sie wurden sogar noch aktiver als zuvor und schwangen heftig ihre Häuser“, berichten Morii und seine Kollegen. Durch dieses Schlagen mit dem Haus gelang es den Schnecken sogar, den angreifenden Käfer zu vertreiben oder umzuwerfen.
„Diese Studie ist damit einer der wenigen Berichte über Landschnecken, die ihre Schneckenhäuser für eine aktive Verteidigung nutzen“, sagen die Forscher. „Die Schnecken setzen ihre Häuser dabei wie eine Keule ein, um ihre Angreifer zu schlagen.“ Interessant auch: Die beiden wehrhaften Schneckenarten kommen in ganz verschiedenen Gegenden vor: Karaftohelix gainesi lebt auf Hokkaido, Karaftohelix selskii dagegen im Osten Russlands.
Zweimal unabhängig entwickelt
DNA-Vergleiche der beiden wehrhaften Schneckenarten zeigten zudem, dass beide zwar zur gleichen Gattung gehören, aber nicht direkt miteinander verwandt sind. Stattdessen gehören sie zu verschiedenen Zweigen dieser Verwandtschaftsgruppe. Die Wissenschaftler vermuten deshalb, dass diese Schnecken ihre einzigartige aktive Abwehrstrategie unabhängig voneinander entwickelt haben.
Dennoch gibt es aber durchaus Gemeinsamkeiten: Bei beiden Schneckenarten ist die Gehäuseöffnung auffällig groß – möglicherweise, um den Muskeln des kräftigen Fußes beim Hausschwingen mehr Raum zu geben. „Die Verteidigungsstrategien dieser Schnecken spiegeln sich in der Gehäuse-Morphologie wider“, erklärt Morii. Ob zuerst das Verhalten da war oder erst die passende Gehäuseform, ist allerdings offen. (Scientific Reports, 2016; doi: 10.1038/srep35600)
(Hokkaido University, 17.11.2016 – NPO)