Geowissen

Ein „Navi“ für die Nordwestpassage

Forscher bereiten System für sichere Navigation der Arktis-Route vor

Die Nordwestpassage bietet Schiffen immer häufiger eine freie Durchfahrt. Bisher jedoch ist dies wegen fehlender Kartierung riskant. © NASA

Sichere Fahrt durch die Arktis: Bisher ist die Fahrt durch die Nordwestpassage ein echtes Wagnis, denn die Route ist kaum kartiert. Das aber soll sich ändern: Schon jetzt leisten Forscher erste Vorarbeiten für eine sichere Navigation durch die eisigen Gewässer. Sie erforschen, wie sich geeignete Daten über die Passage sammeln lassen und entwickeln Algorithmen, um daraus ein Informationssystem für Kapitäne zu erstellen.

Das schmelzende Meereis der Arktis öffnet im hohen Norden neue Schifffahrtswege: Während die Nordwest- und die Nordostpassage früher nur von Eisbrechern befahrbar waren, können seit rund 15 Jahren immer häufiger auch normale Schiffe diese Routen befahren. Im Sommer 2016 durchfuhren sogar Yachten und ein Kreuzfahrtschiff die südliche Route der Nordwestpassage.

Gerade für den Frachtverkehr auf See sind diese neuen Routen bares Geld wert: „Der Weg über die Nordwestpassage ist im Vergleich zur Route zwischen Ostasien und Europa über den Suezkanal rund 5.000 Seemeilen kürzer“, sagt Wolfgang Koch vom Fraunhofer-Institut für Kommunikation, Informationsverarbeitung und Ergonomie FKIE. „Das bedeutet für die Reeder eine enorme Ersparnis.“

Untiefen und Engstellen kaum kartiert

Doch bislang ist die Nordwestpassage für regelmäßige Frachter-Passagen zu gefährlich: Es fehlen verlässliche Informationen über sie. Weil diese Meeresgebiete bisher fast immer von Eis bedeckt waren, sind Buchten, Inseln, Untiefen und Engstellen bisher nur ungenügend kartiert. Außerdem gibt es in dieser Region noch keine Infrastruktur für Sensorik und Kommunikation.

Ein neues Projekt soll dies ändern. In ihm leisten Koch und ein deutsch-kanadisches Forschungsteam die Vorarbeiten für eine sichere Navigation durch das eisige Gewässer. Dafür entwickeln sie Konzepte, mit welcher Technik und wo welche Informationen gewonnen werden und wie diese zusammengeführt werden können.

Im Sommer 2016 war die Nordwestpassage bereits Anfang August nahezu eisfrei © NASA, LANCE/EOSDIS Rapid Response, Suomi NPP

Erster Schritt ist das Datensammeln

Eines der Probleme dabei ist es, geeignete Datenquellen zu erschließen. Eine mögliche Quelle wäre das Automatic Identification Systems (AIS), über das Schiffe unter anderem ihre aktuelle Position mitteilen. Hinzu kommen – wenn auch lückenhafte – Bilder von Satelliten. Selbst alte Sonar-Anlagen aus dem Kalten Krieg, die es in der Arktis gibt, könnte man wiederbeleben. Angedacht sind zudem unbemannte Vehikel, die unter und über Wasser Informationen sammeln.

Auch das Passiv-Radar könnte wertvolle Daten liefern. Diese Technik nutzt den Elektrosmog von Mobilfunkstationen in Küstennähe. Empfangsstationen werten diesen aus und gewinnen so Informationen über Schiffe und Eisblöcke – ihre Größe, Position und Geschwindigkeit. „Auf diese Weise können große Flächen überwacht werden“, sagt Koch.

Künftig soll ein Navigationssystem Schiffen die Passage erleichtern. © Lee Carson/ NORSTRAT Consulting

Aus den Daten wird ein Navi

Aber: Eine hochauflösende Karte, durch das Kapitäne sicher durch das Gewässer gelotst werden könnten, entsteht so noch nicht. „Die Schwierigkeit besteht darin, sehr heterogene und auch ungenaue Daten zusammenzuführen, um daraus beispielsweise Handlungsanweisungen für Kapitäne zu gewinnen, welche Route wann günstig ist“, erklärt Koch.

Um dies zu erreichen, sind vor allem die Fähigkeiten von Kochs Team gefragt. Denn Algorithmen für die Fusion von Sensordaten zu schreiben, ist eine Spezialität der FKIE-Forscher. Auf der Basis der im Projekt gewonnen Erkenntnisse möchte Koch als nächstes ein entsprechendes Überwachungs- und Informationssystem aufbauen.

Startklar in zehn Jahren

Bis dieses Navigationssystem startklar ist, dürfte allerdings noch mindestens ein Jahrzehnt vergehen, schätzt der Forscher. Dann allerdings könnte das System gerade rechtzeitig kommen. Denn bis dahin wird die anhaltende Erwärmung dafür sorgen, dass die Route durch die Nordwestpassage immer länger eisfrei und für den Schiffsverkehr dadurch wirtschaftlich befahrbar werden wird.

Dann wird sich zeigen, dass sich die wissenschaftliche Vorarbeit von heute gelohnt haben wird. „So dramatisch die globale Klimaerwärmung ist, wir versuchen, ihr wenigstens etwas Positives abzugewinnen“, meint Koch.

(Fraunhofer-Gesellschaft, 04.11.2016 – NPO)

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