Archäologie

Bronzezeit-Stadt im Nordirak entdeckt

Siedlung war möglicherweise ein Außenposten des akkadischen Weltreichs

Der Ruinenhügel von Bassetki mit dem weiten Gelände der Unterstadt, auf welchem heute Schafe weiden. © P. Pfälzner

Ausgrabung im Vorhof des IS: Im Nordirak haben Archäologen eine große bronzezeitliche Stadtanlage entdeckt. Die um 3.000 vor Christus gegründete Stadt gehörte vermutlich einst zum Reich von Akkad – einem der ersten großen Reiche der Menschheitsgeschichte. Für die Forscher war Grabung nicht ohne Risiko, denn sie arbeiteten nur 45 Kilometer von IS-Territorien entfernt.

Das einst in Mesopotamien liegende Reich von Akkad gilt als erster größerer organisierter Staat der Geschichte. Gegründet wurde es vor gut 5.300 Jahren von einem semitischen Herrscher, der auch bei den später folgenden Babyloniern, Hethitern und Assyrern einen legendären Ruf innehatte. Über die Kultur dieses Reichs ist bis heute nur wenig bekannt, weil es kaum archäologische Funde gibt. Auch die damalige Hauptstadt Akkad wurde bisher nicht gefunden.

Unter einem Hügel versteckt

Jetzt haben Peter Pfälzner von der Universität Tübingen und seine Kollegen im Nordirak einen Vorposten dieses rätselhaften Reiches entdeckt. Er liegt rund 60 Kilometer vom syrischen Mossul entfernt. Um einen Autobahnbau zuvorzukommen, hatten die Archäologen Ausgrabungen nahe des Dorfs Bassetki durchgeführt. Dieses war bisher nur durch das Fragment einer akkadischen Bronzestatue bekannt, die dort 1975 durch Zufall gefunden wurde.

Wie diese Figur in dieses Dorf gelangte, konnte man sich bisher nicht erklären. Nun jedoch ist klar, dass unter dem Hügel von Bassetki eine ganze akkadische Stadt verborgen liegt. Datierungen ergaben, dass die Siedlung in der Zeit um 3000 vor Christus gegründet wurde und auf eine Blütezeit von über 1.200 Jahren zurückblicken kann. Es wurden auch Siedlungsschichten aus der Zeit des Reichs von Akkad entdeckt.

Stadtmauer, Wohnviertel und ein Palast

Wie die Archäologen berichten, besaß die Stadt schon ab rund 2700 vor Christus eine Mauer um die Oberstadt, die ihre Einwohner vor Eindringlingen schützte. Außerhalb des Stadtzentrums gab es eine Unterstadt von einem Kilometer Länge. Anhand geomagnetischer Widerstandsmessungen fanden die Archäologen dort Hinweise auf ein verzweigtes Straßennetz, verschiedene Wohnviertel, herrschaftliche Häuser und ein palastartiges Gebäude aus der Bronzezeit.

Ausgrabungen am Osthang der Oberstadt von Bassetki. An dieser Stelle wurden mehrere Fragmente assyrischer Keilschrifttafeln gefunden. © P. Pfälzner

Etwa ab 1800 vor Christus errichteten die Stadtbewohner große Steinbauten. Auch fanden die Wissenschaftler Fragmente von assyrischen Keilschrifttafeln aus der Zeit um 1300 vor Christus, die auf die Existenz eines Tempels für den mesopotamischen Wettergott Adad an dieser Stelle hinweisen. Ihre Toten begruben die Einwohner auf einem Gräberfeld außerhalb der Stadt.

300 unbekannte Stätten im Umland

Durch eine Überlandstraße aus der Zeit um 1800 vor Christus war die Siedlung an die benachbarten Regionen Mesopotamiens und Anatoliens angebunden. Im Umland von Bassetki bis zur türkischen und syrischen Grenze hin haben die Forscher seit 2013 bereits 300 bisher unbekannte archäologische Stätten entdeckt.

„Die Gegend um Bassetki erweist sich als eine unerwartet reiche Kulturregion, die in der Bronzezeit im Schnittpunkt von Kulturkontakten zwischen Mesopotamien, Syrien und Anatolien lag“, sagt Pfälzner. „Wir planen deshalb gemeinsam mit den kurdischen Kollegen, einen langfristigen archäologischen Forschungsschwerpunkt in der Region aufzubauen.“

Grabung mit dem IS als Nachbarn

Der Ausgrabungsort liegt nur 45 Kilometer entfernt von Territorien, die durch den IS kontrolliert werden. Das 30-köpfige internationale Forscherteam wohnte zudem während der Ausgrabungen in der Stadt Dohuk, die sich nur 60 Kilometer nördlich von Mosul befindet. Damit arbeiteten sie in unmittelbarer Nachbarschaft der Kriegsgebiete an der syrischen Grenze.

Dennoch konnten die archäologischen Forschungen ungestört durchgeführt werden. „Trotz der räumlichen Nähe zum IS herrscht in den kurdischen Autonomiegebieten des Irak ein großes Maß an Sicherheit und Stabilität“, betont Pfälzner.

(Eberhard Karls Universität Tübingen, 03.11.2016 – NPO)

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