Vom Regen abgeschnitten: Die typischen Steppen Zentralasiens entstanden später und anders als bisher gedacht. Denn noch vor 23 Millionen Jahren war dieses Gebiet sehr viel grüner als heute, wie Bohrproben nahelegen. Erst, als dann Gebirge wie der Altai und Tien Shan einen erneuten Wachstumsschub erlebten, wurden die Ebenen Zentralasiens von feuchteren Luftmassen isoliert – und trockneten aus.
Zentralasien umfasst heute eines der größten Steppengebiete der Erde. In den weiten Ebenen zwischen Kasachstan im Westen und der Mongolei im Osten herrscht ein eher trockenes Klima, in Teilen ähnelt die Landschaft einer Wüste. Um in dieser Umwelt zu überleben, entwickelten sich dort früh Nomadenvölker, deren Kultur und Sprache sogar das benachbarte Europa prägten.
Was verursachte die Versteppung?
Aber warum ist Zentralasien heute so trocken? Und wann begann die langsame Austrocknung dieses riesigen Gebiets? Bisher machte man dafür vor allem das plattentektonisch bedingte Heranwachsen des Himalaya und die Anhebung Tibets vor rund 50 Millionen Jahren verantwortlich. Das sich auftürmende Gebirge blockierte den Zug von Regenwolken aus dem Süden nach Zentralasien hinein, so die Theorie.
Ganz so simpel war es aber wohl doch nicht, wie Jeremy Caves von der Stanford University und seine Kollegen nun herausgefunden haben. Denn wie sie berichten, ereignete sich die Austrocknung zum einen später als bisher angenommen, zum anderen waren mehrere, spätere Gebirgsbildungen daran beteiligt.
Proben aus ganz Zentralasien
Für ihre Studie hatten die Forscher 171 Proben urzeitlicher Bodenschichten aus verschiedensten Gebieten Zentralasiens entnommen, darunter aus bisher kaum untersuchten Gebieten in der Mongolei, dem Osten Kasachstans und dem Norden Chinas. Zusammen mit 2.200 älteren Proben unterzogen sie diese einer Kohlenstoff-Isotopenanalyse.
„Unsere Studie ist die erste, die diese Isotope über geologische Zeiträume von mehreren Millionen Jahren hinweg kartiert“, sagt Caves. Aus den Anteilen der verschiedenen Kohlenstoff-Isotope im urzeitlichen Boden lässt sich schließen, ob und wie viele biologische Organismen damals Humus produzierten. Das wiederum erlaubt Rückschlüsse auf die Dichte des Bewuchses und damit auch das Klima.
Jahrmillionen später als gedacht
Die Analysen ergaben: Erst vor 23 Millionen Jahren veränderten sich die Isotopenwerte im Boden merklich, der Bewuchs wurde damals allmählich immer dünner. Die Forscher schließen daraus, dass die Austrocknung Zentralasiens erst zu dieser Zeit eingesetzt haben kann – und damit Jahrmillionen Jahre später als bisher angenommen.
„Zwar war diese Region wahrscheinlich nie üppig zugewachsen, aber vor 23 Millionen Jahren war Zentralasien auf jeden Fall noch deutlich grüner als heute und auch als in der noch ferneren Vergangenheit“, sagt Caves. Dann jedoch bildete sich erst ein sehr trockenes Gebiet im Herzen Zentralasiens, das sich dann vor rund fünf Millionen Jahren stark nach Norden und Westen ausbreitete, wie die Forscher berichten.
Hebung von Altai und Tien Shan
Was aber verursachte diesen Trockenheits-Schub? Auf Basis des zeitlichen Ablaufs komme der Himalaya allein dafür nicht in Frage, so Caves und seine Kollegen. Aber einige kleinere Gebirgszüge in Zentralasien, darunter der Tien Shan und der Altai, erlebten vor fünf bis 23 Millionen Jahren eine erneute starke Hebung.
Das Anwachsen dieser Gebirgszüge riegelte Zentralasien im Laufe des Neogens immer stärker von den regenbringenden Luftmassen aus dem Norden und Westen ab. Dadurch war große Teile dieses Gebiets nun an drei Seiten von Gebirgsbarrieren umgeben – und ließ das Klima in den weiten Steppen immer trockener werden.
Ein ähnlicher Prozess hat vor rund 700.000 Jahren auch auf dem Balkan zu einer Klimaveränderung geführt: Tektonische Hebungen ließen damals die Karpaten, das Dinarische Gebirge und auch die Alpen noch einmal deutlich anwachsen – und diese Barrieren machten das Klima an der unteren Donau deutlich kontinentaler. (Geology, 2016)
(Stanford University, 17.10.2016 – NPO)