Kosmisches Bombardement: Der Mond wird deutlich häufiger von Meteoriten getroffen als bisher angenommen. Vergleichsbilder belegen, dass es auf dem Erdtrabant mehr als 200 neue Einschlagskrater gibt – das sind rund ein Drittel mehr, als es Modelle vorhersagen. Wie Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten, wird der Mond demnach rund 180 Mal pro Jahr von einem Einschlag getroffen, der einen mehr als zehn Meter großen Krater hinterlässt.
Die kraterübersäte Oberfläche des Mondes zeugt davon, wie oft es in unserer kosmischen Nachbarschaft zu Einschlägen kommt – und erlaubt daher Rückschlüsse auch auf die Gefahr für unseren Planeten. Weil diese Impaktspuren auf dem Erdtrabanten lange erhalten bleiben, geben sie Auskunft über Häufigkeit und Alter solcher Treffer, aber auch über Prozesse auf dem Mond selbst. Für uns Erdbewohner besonders spannend ist dabei die Frage, wie häufig es heute noch zu Einschlägen kommt.
180 neue Krater pro Jahr
Um dies zu klären, haben Emerson Speyerer von der Arizona State University in Tempe und seine Kollegen 14.092 Bildpaare der Raumsonde Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO) ausgewertet. Diese Paare zeigen jeweils den gleichen Ausschnitt der Mondoberfläche, wurden aber in einem zeitlichen Abstand von mehreren Monaten bis Jahren aufgenommen. Zusammen decken sie gut sechs Prozent der Mondoberfläche ab.
Das Ergebnis: In den Aufnahmen der Mondsonde entdeckten die Forscher 222 neue Krater von mehr als zehn Metern Durchmesser. Das sind rund 33 Prozent mehr, als es die gängigen Modelle für diesen Zeitraum und die beobachtete Fläche vorhersagen. „Auf die gleiche Fläche bezogen haben wir 16 neue Krater pro Jahr statt nur zwölf gefunden“, berichten Speyerer und seine Kollegen.
Rechnet man diese Werte auf die gesamte Mondoberfläche hoch, dann entstehen auf dem Erdtrabanten durch Einschläge von Meteoriten jedes Jahr 180 neue Krater von mehr als zehn Metern Durchmesser.
Regolith wird förmlich umgepflügt
Die Bildvergleiche ergaben noch ein überraschendes Ergebnis: Zusätzlich zu den neuen Kratern registrierten die Forscher auch 47.000 kleinräumigere Veränderungen der Mondoberfläche. An diesen Stellen hatte sich die Helligkeit und Reflexion des Regoliths verändert – wahrscheinlich, weil die obersten Zentimeter aufgewühlt oder aufgewirbelt wurden.
Die Forscher vermuten, dass diese Veränderungen auf Einschläge von Mikrometeoriten oder Bruchstücke größerer Impakte zurückgehen. Erstaunlich aber sei ihre enorm hohe Zahl: „Um durch diese Prozesse die obersten beiden Zentimeter Regolith auf dem gesamten Mond umzupflügen, reichen unseren Berechnungen nach 81.000 Jahre“, berichten Speyerer und seine Kollegen. Das ist 100-fach schneller als bisher gedacht.
Diese Entdeckung könnte auch die Bohrproben der Apollo-Astronauten erklären: Das Regolith ihrer Proben war selbst in zehn Zentimetern Tiefe noch überraschend stark homogenisiert und zeigte Merkmale einer nachträglichen Umschichtung. „Dies zeigt, wie wichtig solche sekundären und kleinen Impaktprozesse für die Mondoberfläche sind“, konstatieren die Forscher. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature19829)
(Nature, 13.10.2016 – NPO)