Raumfahrt

Astronauten: Hirnschäden durch Marsflug?

Kosmische Strahlung verursacht Gedächtnisschwächen und Verhaltensänderungen bei Mäusen

Bis die Astronauten auf dem Mars ankommen, könnte die kosmische Strahlung ihr Gehirn schon geschädigt haben. © NASA

Dement durch Strahlung: Astronauten auf dem Weg zum Mars könnten erhebliche Hirnschäden davontragen. Versuche mit Mäuse bestätigen erneut, dass die harte kosmische Strahlung sowohl kurz- als auch langfristig zu messbaren Veränderungen im Gehirn führt – und das Gedächtnis und Verhalten beeinträchtigt. Das Problem dabei: Bisher gibt es keine Abschirmung, die effektiv vor diesen energiereichen Teilchen schützt.

Menschen auf der Erde und Astronauten im Erdorbit sind vor einem großen Teil der kosmischen Strahlung abgeschirmt – das irdische Magnetfeld schützt uns. Anders ist dies aber, wenn sich ein Astronaut länger außerhalb dieses Schutzschirms aufhält – beispielsweise auf einem Flug zum Mars. Er ist dann einem Bombardement von extrem energiereichen Ionen ausgesetzt, die selbst dicke Schutzwände ungehindert passieren können. Treffen diese Partikel auf menschliche Zellen, können sie schwere Schäden verursachen.

Bereits vor einigen Jahren rechneten Forscher aus, dass ein Astronaut auf dem Flug Mars eine Dosis von fast einem Sievert abbekommen könnte – und damit das Maximum für die Lebensdosis eines Astronauten.

Defizite durch kosmische Strahlung

Noch bedenklicher aber: 2015 stellten Charles Limoli von der University of California in Irvine und seine Kollegen fest, dass schon eine relativ moderate Dosis kosmischer Strahlung bei Mäusen sichtbare Hirnschäden und Defizite im Gedächtnis verursacht. Diese Schadwirkung ließ sich bei den Tieren sechs Wochen nach der Bestrahlung nachweisen.

Jetzt haben die Forscher festgestellt, dass diese schädlichen Folgen der kosmischen Strahlung länger anhalten als bisher gedacht: Selbst sechs Monate nach der Bestrahlung blieb das neuronale Netzwerk im Gehirn der Mäuse noch messbar geschädigt. „Das sind keine guten Nachrichten für Astronauten, die einen zweieinhalbjährigen Rundtrip zum Mars und zurück vor sich haben“, sagt Limoli.

Die verzweigten Fortsätze der Hirnzellen, sogenannte Dendriten, wurden durch die Strahlung geschädigt. © Svisio/iStock.com

Hirnschäden noch nach sechs Monaten

Für ihre Studie hatten die Forscher Mäuse für relativ kurze Zeit einem Beschuss mit energiereichen, vollständig ionisierten Sauerstoff- und Titanatomen ausgesetzt – Partikeln, wie sie auch in der kosmischen Strahlung vorkommen. Die Dosis lag zwischen 0,5 und 3 Gray.

Sechs Monate später kontrollieren die Forscher sowohl das Verhalten der Tiere als auch den Zustand ihres Gehirns. Es zeigte sich: Selbst so lange nach der Bestrahlung waren Gehirnzellen vor allem im präfrontalen Cortex und im Hippocampus noch geschädigt und es gab Anzeichen für entzündliche Veränderungen. Die Neuronen besaßen zudem weniger Zellausläufer, so dass ihre Kommunikation untereinander beeinträchtigt war, wie die Forscher berichten.

Angstlöschung funktioniert nicht mehr

Diese neuronalen Schäden wirkten sich auch auf das Verhalten der Mäuse aus: Die bestrahlten Tiere hatten Probleme, sich Orte und Objekte zu merken und sie später wiederzuerkennen. Auch ihre Stimmung veränderte sich: Wie die Forscher feststellten, störte die Bestrahlung einen wichtigen Prozess zur Angsthemmung.

Dieser aktive Prozess sorgt normalerweise dafür, dass stressige oder furchterregende Erfahrungen und Assoziationen überwunden werden. Dadurch kann jemand, der beispielsweise beinahe überfahren wird, dennoch halbwegs angstfrei weiter am Verkehr teilnehmen. „Defizite in dieser Angstlöschung könnten bei einem knapp dreijährigen Flug zum Mars und zurück problematisch werden“, sagt Limoli.

Suche nach Schutzstrategien

„Die Weltraum-Umwelt birgt für die Astronauten einzigartige Gefahren“, sagt Limoli. „Die Belastung durch die Partikel kosmischer Strahlung kann zu einer ganzen Reihe von Problemen des Zentralnervensystems führen – darunter Gedächtnisschwächen, Leistungsdefiziten, Angst, Depression und beeinträchtigte Entscheidungsfähigkeit.“

Diese Effekte treten teilweise erst Monate nach einer Strahlenbelastung auf und könnte daher genau dann zum Tragen kommen, wenn bei Ankunft am Mars volle Konzentration gefragt ist. Bei künftigen Marsflügen, wie sie unter anderem das Unternehmen Space X, aber auch die NASA planen, müsse daher dringend eine Lösung für dieses Problem gefunden werden, so Limoli.

Das jedoch ist alles andere als einfach: Bisher gibt es kein Material, das bei vertretbarer Dicke und Gewicht diese energiereichen Teilchen abschirmen kann. „Man kann ihnen nicht entkommen“, sagt der Forscher. Er und seine Kollegen arbeiten daher an vorbeugenden Strategien gegen die Hirnschäden: Medikamenten, die das Gehirn gegen die Strahlenschäden schützen können. (Scientific Reports, 2016; doi: 10.1038/srep34774)

(University of California – Irvine, 11.10.2016 – NPO)

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