Biologie

Gibt es ein natürliches Höchstalter des Menschen?

Forscher berechnen maximal mögliche Lebensdauer auf 125 Jahre

Die Menschen werden immer älter - doch es gibt offenbar ein Limit. © Photodjo/ iStock.com

Leben ohne Limit? Die menschliche Lebensdauer bis ins Unendliche zu steigern, ist wohl nicht möglich. Das legen nun Datenanalysen von US-Forschern nahe: Trotz aller Fortschritte in Medizin & Co scheint es eine natürliche Obergrenze für das maximal mögliche Alter zu geben – und diese Grenze haben wir bereits vor zwei Jahrzehnten erreicht. Älter als 120 zu werden, ist demnach auch in der Zukunft extrem unwahrscheinlich.

Noch im Jahr 1928 postulierte der amerikanische Statistiker Louis Dublin eine maximale menschliche Lebenserwartung von 65 Jahren. Diese Schwelle hat die Menschheit in vielen Ländern längst überschritten. Seit dem 20. Jahrhundert steigt unsere durchschnittliche Lebenserwartung nahezu kontinuierlich – und die Ältesten unter uns brechen immer wieder Rekorde: Die Bestleistung in Sachen Lebensdauer liegt derzeit bei stolzen 122 Jahren.

Schlagen wir eines Tages Methusalem?

Dank mehr und besserer Nahrung, der Entwicklung von Antibiotika und weniger körperlich schwerer Arbeit durch moderne Technik haben wir unsere Langlebigkeit immens gesteigert. Neue Fortschritte könnten es sogar ermöglichen, sie noch mehr auf die Spitze zu treiben: Werden wir eines Tages das sagenhafte Alter des biblischen Methusalems übertreffen und tausend Jahre alt werden können?

Wissenschaftler um Xiao Dong vom Albert Einstein College of Medicine in New York glauben das nicht. Der Genetiker und seine Kollegen haben Daten aus der Human Mortality Database zur Sterblichkeit der Menschen in mehr als vierzig Ländern analysiert – und kommen zu dem Schluss: Die maximal mögliche Lebensdauer hat wohl doch eine natürliche Grenze.

Immer mehr Hundertjährige

Bei ihrer Auswertung der Daten stellten die Forscher fest, dass die Menschen seit 1900 immer älter werden. Der Anteil der Bevölkerung, die ein Alter von 70 Jahren oder mehr erreicht, steigt dabei mit dem Kalenderjahr der Geburt. Demnach scheint sich die durchschnittliche Lebenserwartung in den betrachteten Ländern kontinuierlich zu erhöhen.

Doch ein Blick auf die Gruppe der über Hundertjährigen zeigte: Diese Kurve wird wahrscheinlich nicht ins Unendliche weiterlaufen. So werden zwar immer mehr Menschen 100 Jahre alt. Danach fällt die Überlebensrate jedoch rapide ab – und zwar unabhängig davon, in welchem Jahr die Menschen geboren wurden. Kurzum: Viel älter zu werden als 100, ist auch in unserem modernen Zeitalter unwahrscheinlich.

Schon viel gelebt: Ein hohes Alter zu erreichen, ist heute keine Ausnahme mehr. Viel älter als 100 werden jedoch die wenigsten. © Zoran Zeremski/ iStock.com

Grenze schon erreicht?

Auf der Suche nach weiteren Hinweisen betrachteten die Wissenschaftler Daten aus der International Database on Longevity. Sie registriert die „Methusalems“ unter den Menschen und zeigt, wer wann und wo einen Altersrekord gebrochen hat. Das Team konzentrierte sich dabei auf diejenigen, die zwischen 1968 und 2006 in den vier Ländern mit der größten Zahl besonders Langlebiger (USA, Frankreich, Japan, Großbritannien) über 110 Jahre alt geworden waren.

Dabei zeigte sich: Zwischen den 1970er und den 1990er Jahren steigt das Todesalter dieser über Hundertjährigen drastisch an, erreicht aber um 1995 ein Plateau, das bis heute anhält. Für Xiao Ding und seine Kollegen ist das ein deutliches Indiz dafür, dass die maximal mögliche Lebensdauer des Menschen eine Grenze hat.

„Und unsere Daten legen nahe, dass diese Grenze schon erreicht worden ist – nämlich in den 1990er Jahren“, sagt Mitautor Jan Vijg. Interessant: Tatsächlich fällt der Beginn des Plateaus in der Alterskurve mit dem Tod der Französin Jeanne Calment im Jahr 1997 zusammen. Sie starb im Alter von 122 Jahren und ist damit die älteste bekannte Person der Welt.

125 Jahre sind das Maximum

Auf Grundlage ihrer Analysen schätzen die Wissenschaftler die durchschnittliche maximale Lebensdauer auf 115 Jahre. Die höchstmögliche Abweichung von diesem Durchschnittswert liegt ihrem Modell zufolge bei 125 Jahren. Dieses Alter ist demnach die absolute Grenze einer individuell möglichen Lebensdauer. In Wahrscheinlichkeiten ausgedrückt: Den Berechnungen zufolge liegt die Chance, dass eine Person in irgendeinem Jahr älter wird als 125, bei weniger als eins zu 10.000.

Wie die Forscher betonen, heißt das nicht, dass das maximale Lebensalter von einem isolierten genetischen „Todesprogramm“ gesteuert wird, dass zu Alterungsprozessen und schließlich zum Lebensende führt. Vielmehr lässt eine Vielzahl anderer genetisch fixierter Lebensereignisse wie die Entwicklung von Krankheiten unsere Lebensuhr zwangsläufig ablaufen.

Lieber immer gesünder als immer älter

„Neue Fortschritte im Kampf gegen Infektionen und chronische Erkrankungen können zwar auch in Zukunft die durchschnittliche Lebenserwartung weiter in die Höhe treiben – aber wahrscheinlich nicht die maximal mögliche Lebensdauer“, sagt Vijg. „Um das zu erreichen, müssten medizinische Durchbrüche die zahlreichen genetischen Varianten überwinden, die die menschliche Lebensspanne gemeinsam zu bestimmen scheinen.“

Stattdessen, so das Credo der Wissenschaftler, sollte die Forschung sich darauf konzentrieren, wie man die Gesundheit im hohen Alter erhalten kann. Erst im vergangenen Jahr hatte eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gezeigt: Länger leben bedeutet oft auch länger leiden. Demnach geht ein langes Leben häufig mit Beeinträchtigungen durch nicht heilbare Erkrankungen einher. In Deutschland leiden laut diesem WHO-Bericht nahezu ein Viertel aller 70- bis 85-Jährigen an fünf oder mehr Krankheiten gleichzeitig. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature19793)

(Albert Einstein College of Medicine, 06.10.2016 – DAL)

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