Bier entspannt, enthemmt und macht geselliger: Diese Binsenweisheit haben Forscher nun unter die Lupe genommen – und den Effekt des Gerstensafts auf unsere soziale Wahrnehmung genauer untersucht. Demnach lässt uns Bier schneller fröhliche Gesichter erkennen und steigert das Bedürfnis nach unbeschwerter Interaktion. Einen Einfluss auf die sexuelle Erregbarkeit hat der Gerstensaft allerdings wohl nicht.
Bier kann wahre Wunder wirken: Ein, zwei kräftige Schlucke des kühlen Gerstensafts und schon ist der Ärger über den stressigen Arbeitstag verflogen. Wir sind plötzlich gut drauf, werden in der Kneipe zum Alleinunterhalter und schließen neue Freundschaft mit dem netten Menschen hinter dem Tresen.
Dieselben Effekte lassen sich natürlich auch mit einem Glas Wein oder jedem anderen Getränk erzielen, das Alkohol enthält. Denn es ist bekanntermaßen dieser Bestandteil, der unsere Wahrnehmung und unser Verhalten so frappierend verändert. „Doch obwohl die Mehrheit der Erwachsenen die Wirkung von Alkohol aus eigener Erfahrung kennt, gibt es nur wenige wissenschaftliche Daten dazu“, sagt Matthias Liechti vom Universitätsklinikum Basel.
Biertrinken für die Wissenschaft
Der Mediziner und seine Kollegen wollten diese Forschungslücke endlich schließen – und haben untersucht, inwiefern Biertrinken beeinflusst, wie wir soziale Informationen verarbeiten, wie empathisch wir sind und wie wir sexuelle Situationen bewerten.
Um die Wirkung des Biers beobachten zu können, verabreichten die Wissenschaftler 60 Probanden so viel Bier, dass ihr Alkoholspiegel im Blut auf etwa 0,4 Gramm pro Liter anstieg. Das entspricht je nach Größe und Geschlecht ungefähr einem halben Liter Gerstensaft. Bei einem Kontrollversuch bekamen die Teilnehmer die gleiche Menge alkoholfreies Bier zu trinken. Anschließend mussten sie unterschiedliche Tests absolvieren, bei denen ihre psychosoziale Einstellung auf die Probe gestellt wurde.
Geschärfter Blick für fröhliche Gesichter
Die Ergebnisse offenbaren, wie sehr uns schon ein Glas Bier verändert. So fanden die Forscher heraus: Nach dem Genuss des alkoholischen Getränks erkennen wir fröhliche Gesichter schneller als ohne Alkoholeinfluss. Außerdem verspüren wir vermehrt das Bedürfnis, mit anderen zu interagieren und mit ihnen in einem fröhlichen Umfeld zusammen zu sein. Diese Effekte zeigten sich bei Frauen und zuvor eher sozial gehemmten Menschen besonders deutlich.
Auch auf die sexuelle Einstellung wirkte sich der Alkoholkonsum aus: Insbesondere die weiblichen Probanden fühlten sich danach wohler dabei, explizite sexuelle Bilder zu betrachten. Ihre sexuelle Erregung schien der Alkohol jedoch nicht zu beeinflussen.
Soziales Schmiermittel
„Diese Veränderungen der sozialen Wahrnehmung wirken sich positiv auf unsere Geselligkeit aus“, sagt Liechti. Durch welche Mechanismen der Alkohol die Effekte in unserem Kopf erzielt, ist jedoch unklar. Überraschenderweise konnten die Forscher unter Alkoholeinfluss keinen Anstieg des als Glückshormon bekannten Botenstoffs Oxytocin nachweisen.
„Die Studie bestätigt aber sehr schön, dass Alkohol als soziales Schmiermittel fungieren kann“, kommentiert Wim van den Brink von der Universität Amsterdam die Ergebnisse. „Moderater Alkoholkonsum macht Menschen glücklicher, sozialer und weniger gehemmt, wenn es um sexuelle Aktivitäten geht.“
Allerdings: Nur weil sich Bier positiv auf unsere Emotionen und unsere Wahrnehmung auswirke, müsse sich das noch lange nicht ebenso positiv in unserem Verhalten widerspiegeln. „Denn wie schon Shakespeare bemerkte: ‚Der Trunk fördert das Verlangen, aber schwächt das Tun'“, schließt van den Brink. (European College of Neuropsychopharmacology (ECNP) Conference, 2016)
(European College of Neuropsychopharmacology, 20.09.2016 – DAL)