Biologie

Wo liegt die Untergrenze des Lebens?

Tiefbohrung sucht nach Mikroben tief unter dem Meeresboden

Bis in welche Tiefe ud bis zu welcher Temperatur gibt es auf der Erde Leben? Das soll eine Tiefbohrung herausfinden. Hier der Blick auf einen Sedimentbohrkern. © Luc Riolon/ JAMSTEC

Fahndung im Gestein: Eine Tiefbohrung vor Japans Küste soll klären, wo die Untergrenze des irdischen Lebens liegt. Die am heute beginnende Bohrung „T-Limit“ reicht bis in 1,2 Kilometer Tiefe hinunter und damit in Gesteinsschichten, die 130 Grad heiß sind. Ob in dieser Hitze und unter dem erhöhten Druck noch Mikroben leben, wollen die Wissenschaftler dabei herausfinden.

Leben im „Keller“ der Erde: Die vielfältige Organismenwelt unseres Planeten reicht tiefer als lange gedacht. Selbst Dauerdunkel, Enge, hoher Druck und Hitze scheinen Bakterien und andere Mikroben nicht davon abzuhalten, selbst Gesteinsporen tief unter der Erdoberfläche zu besiedeln. Forscher haben in den letzten Jahren bereits lebende Bakterien aus hunderte Meter tiefem Basaltgestein und sogar in fast 2.500 Metern Tiefe unter dem Meeresgrund nachgewiesen.

Mikrobenfahndung 1,200 Meter unter dem Meeresgrund

Unklar blieb aber bisher, wo die absolute Untergrenze für das Leben liegt. Oder anders ausgedrückt: Ab wann wird es in der Tiefe selbst den widerstandsfähigsten Mikroben zu heiß? „Wir wissen, dass die mikrobielle Biomasse unter dem Meeresgrund mindestens so hoch ist wie die im Ozean darüber“, erklärt Fumio Inagaki von der japanischen Meeresforschungsanstalt JAMSTEC. „Aber über ihre Vielfalt, ihre Grenzen und die Faktoren, die ihr Überleben begrenzen, wissen wir kaum etwas.“

Eine gezielte Bohrung und Probennahme im japanischen Meer soll dies nun ändern. Mit dem Projekt „T-Limit“ wollen die Forscher herausfinden, bis zu welcher Temperatur in der Tiefe Organismen leben können. Dafür entnehmen sie in den nächsten 60 Tagen mit dem Bohrschiff Chikyu Gesteinsproben bis in 1,2 Kilometer Tiefe. Dies sei der erste Versuch, die biotische Grenze im Detail zu untersuchen, sagen die Forscher.

Das Bohrschiff Chikyu soll in 1,2 Kilometern Tiefe unter dem Meeresgrund nach Leben fahnden © Luc Riolon/ JAMSTEC

Wie bei einer Weltraummission“

Alle Proben werden per Helikopter in ein Labor an der 120 Kilometer entfernten japanischen Küste gebracht und dort analysiert. Reinraumbedingungen bei Transport und Analyse sollen dafür sorgen, dass keine Kontaminationen von außen in die Proben gelangen und so Leben vorgaukeln, wo es nicht ist. „Das ist fast wie bei einer Weltraummission“, erklärt Expeditionsmitglied Kai-Uwe Hinrichs vom MARUM in Bremen.

Die bei den Analysen eingesetzten Verfahren sind so sensibel, dass sie noch 100 Mikrobenzellen pro Kubikzentimeter nachweisen können – das entspricht 100 Sandkörnern in einem olympischen Schwimmbecken. „Nach Leben in solchen Bohrproben zu suchen, ist wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, sagt Yuki Morono von der JAMSTEC. „An der Oberfläche des Meeresgrunds wimmelt es noch von Mikrobenzellen, aber in den Proben aus dem tieferen Gestein werden sie immer spärlicher.“

Wie viel Hitze geht noch?

Der Clou an dieser Bohrung ist ihr Standort im Nankai-Tiefseegraben. Der dort 4.700 Meter tief liegende Meeresgrund liegt nahe der Grenze von Eurasischer und Philippinischer Erdplatte. Der Hitzegradient ist dadurch unter dem Nankai-Graben viermal steiler als anderswo im Pazifik, wie die Forscher berichten. In 1,2 Kilometern Tiefe werden bereits 130 Grad Hitze erreicht – dies ist sonst erst in vier Kilometern Tiefe der Fall.

Ort und Tiefe der Bohrung sind so angelegt, dass sie die Lebensgrenze genau erreichen müssten. © Deep Carbon Observatory

Genau diese Temperatur aber ist besonders spannend für die Suche nach der Grenze des Lebens. Denn der hitzebeständigste bisher bekannte Organismus ist ein Einzeller, der noch in 121 Grad heißem Wasser überleben und sich vermehren kann. Geogemma barossii lebt in heißen Schloten vor der US-Westküste. Eine weitere Mikrobe hält 122 Grad noch bei einem Druck aus, wie er in 4.000 Metern Tiefe herrscht.

Mauer oder löchriger Zaun?

Aber ist dies schon die Grenze? Laborversuche zeigen, dass das Erbmolekül DNA bei Temperaturen zwischen 120 und 140 Grad ihre Integrität verliert. Ohne DNA jedoch ist ein Überleben und erst recht eine Vermehrung nicht möglich – so viel ist klar. Wie nah das Leben aber dieser absoluten Grenze kommt, ist bisher unbekannt.

„Die Bohrproben geben uns die einmalige Chance zu erkunden, wie sich das mikrobielle Leben mit steigenden Temperaturen verändert und wann es aufhört“, sagt Verena Heuer vom MARUM. „Ist diese untere Grenze der habitablen Zone im Meeresgrund beispielsweise scharf abgegrenzt wie eine Mauer oder ähnelt sie eher einem löchrigen Zaun?“

Die Antworten hoffen die Forscher nach Ende der 60-tägigen Expedition bekommen zu haben. Am 10. November wird die Bohrphase abgeschlossen sein, dann folgen noch zwei Wochen der intensiven Analyse im Küstenlabor.

(Deep Carbon Observatory (DCO), 12.09.2016 – NPO)

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