Verräterisches Haar: Mithilfe von Proteinen im menschlichen Haar können Menschen künftig womöglich genauso gut identifiziert werden wie durch DNA. Demnach könnten kleine Varianten in diesen Peptiden als individuelles Unterscheidungsmerkmal dienen, berichten Forscher im Fachmagazin „PLoS ONE“. Noch ist die Methode zwar nicht genau genug. In Zukunft aber reicht vielleicht ein einziges Haar als Beweis – und zwar ohne Wurzel.
Ein Spritzer Blut auf dem Teppich, Speichelreste an einem Glas Wein oder ein ausgerissenes Haar samt Wurzel: Über diese Spuren an einem Tatort freut sich jeder Kriminaltechniker. Schließlich enthalten sie DNA – und die kann bei der Überführung des Täters helfen. Die Spuren sind so wertvoll, weil sie für jedes Individuum einzigartig sind und deshalb zur Identifizierung von Personen genutzt werden können. Das macht sich nicht nur die Forensik zunutze, sondern mitunter auch die Archäologie.
Doch die Sache hat einen Haken: Umwelteinflüsse und chemische Prozesse können DNA verändern. Mit der Zeit wird sie deshalb als eindeutiger Beweis unter Umständen unbrauchbar. Forscher um Glendon Parker von der Utah Valley University in Orem haben sich deshalb gefragt, ob es eine Alternative zum etablierten DNA-Beweis gibt, die diese Schwäche nicht hat. Im Fokus ihrer Überlegungen: Proteine im menschlichen Haar.
Stabiler als DNA
Tatsächlich sind Proteine stabiler als die Moleküle, die unsere Erbinformationen tragen. Doch unterscheiden sie sich von Mensch zu Mensch so stark, dass sie ein einzigartiges Profil bilden? Um diese Frage zu klären, analysierten die Wissenschaftler Haarproben von 76 nicht miteinander verwandten Personen europäischer, amerikanischer sowie afrikanischer Abstammung.
Zusätzlich bedienten sie sich am Schopf von sechs Verstorbenen, die von Archäologen auf alten Friedhöfen in London und Kent ausgegraben wurden. Die Proben sind den Forschern zufolge bis zu 250 Jahre alt, das verdeutliche die Robustheit der Proteine.
Eine Person aus einer Million
Die Auswertungen ergaben wie erwartet, dass das häufigste Protein im Haar Keratin ist. Parker und seine Kollegen entdeckten aber auch eine Vielzahl weiterer Peptide. Je nach Probe identifizierten sie zwischen 376 und 18.563 unterschiedliche Proteine. Anschließend suchten die Forscher nach kleinen molekularen Variationen in diesen Peptiden, die womöglich zu einem individuellen Protein-Profil beitragen könnten.
Insgesamt konnte das Team auf diese Weise 185 Marker identifizieren, die sich für eine Unterscheidung eignen. Der Aufbau dieser Proteinabschnitte kann ihren Schätzungen zufolge ein so individuelles Muster bilden, dass eine Person innerhalb einer Population von einer Million Menschen eindeutig erkannt werden kann.
Methode noch am Anfang
Diese Trefferquote ist natürlich längst nicht so gut wie bei heutigen DNA-Analysen: „Wir befinden uns mit der proteinbasierten Identifizierung momentan an dem Punkt, wo das DNA-Profiling in den frühen Tagen seiner Entwicklung stand“, sagt Mitautor Brad Hart vom Lawrence Livermore National Laboratory.
Doch das Ziel der Wissenschaftler ist klar: Eines Tages soll ein einziges Haar ausreichen, um aus der Masse der gesamten Weltbevölkerung eine Person klar identifizieren zu können. Dafür müssen jedoch zunächst weitere Marker definiert und die Sicherheit der neuen Technik anschließend bestätigt werden.
Bis der Haar-Beweis in den Gerichtsälen der Welt eine ähnliche Rolle spielt wie der DNA-Beweis, dürfte es demnach noch dauern. Parkers Team aber ist sich sicher: „Die Methode wird für die Forensik bahnbrechend sein.“ (PLoS ONE, 2016; doi: 10.1371/journal.pone.0160653)
(PLOS, 09.09.2016 – DAL)