Ungewöhnliche Tötungstechnik: Der einst in Australien heimische Beutelöwe könnte seine Beute völlig anders getötet haben als heutige Raubkatzen. Denn er nutzte wahrscheinlich nicht seine Reißzähne, sondern die scharfen, großen Klauen an seinen Vorderfüßen. Indizien dafür haben Forscher am Ellenbogen des Beutelöwen entdeckt. Er war ungewöhnlich beweglich und erlaubte dem Raubtier weite Drehungen seiner Pranken.
Der bis vor 45.000 Jahren in Australien heimische Beutellöwe (Thylacoleo carnifex) war ein echtes Kraftpaket: Das Raubtier war zwar „nur“ knapp größer als ein Jaguar, konnte aber 150 Kilogramm und mehr wiegen. Denn vor allem die Vorderbeine und Brust des Beutellöwen waren muskelbepackt. Analysen fossiler Schädel zeigen zudem, dass er wesentliche stärkere Oberkiefer- und Nackenmuskeln besaß als heutige Raubtiere.
Ursprünglich nahm man deshalb an, dass der Beutelöwe seine Beute durch einen kräftigen Biss tötete. Doch neue Analysen von Borja Figueirido von der Universität Malaga und seine Kollegen legen nun ein ganz anderes Tötungsszenario nahe.
Verräterischer Ellenbogen
Für ihre Studie untersuchten die Forscher die Vorderbeine und den Ellenbogen des ausgestorbenen Raubtiers. Denn an diesem Gelenk lässt sich ablesen, wie ein Vierbeiner seine Vorderbeine einsetzt. Beim Hund beispielsweise, der an langes, schnelles Laufen angepasst ist, erlaubt der Ellenbogen keine Drehungen des Unterarms und stabilisiert das Bein dadurch. Affen und Menschen dagegen können Hand und Unterarm drehen – das erleichterte das Klettern und Greifen.
Auch bei Raubtieren verrät der Ellenbogen einiges über Lebensweise und Beutefang: Bei Katzen und vielen heutigen Großkatzen hat der Ellenbogen eine Zwischenform, weil sie ihre Vorderbeine nutzen, um ihre Beute beim Tötungsbiss festzuhalten. „Wenn der Beutelöwe wie ein Löwe gejagt hat und seine Beute mit den Pranken festhielt, dann müsste sein Ellenbogen löwenähnlich sein“, erklärt Koautorin Christine Janis von der Brown University.
Vorderbeine beweglich wie bei Klettertieren
Doch zur Überraschung der Forscher war dies nicht der Fall: „Erstaunlicherweise hatte der Beutelöwe einen einzigartigen Ellenbogen – einen, den es bei heute lebenden Raubtieren nicht gibt“, sagt Janis. Denn die Pranken und Unterarme von Thylacoleo waren fast genauso drehbar wie bei Affen und anderen kletternden Tieren. „Der Ellenbogen hat einen größeren Grad der Beweglichkeit als bei jedem anderen rezenten Raubtier“, so die Forscher.
Aber wozu? Der Körperbau des Beutelöwen belegt eindeutig, dass er kein Baumbewohner war. Zwar konnte er ähnlich wie Katzen wahrscheinlich klettern, er lebte und jagte aber primär am Boden, wie die Wissenschaftler erklären. Ihrer Ansicht nach bleibt daher nur eine andere Erklärung: Die beweglichen Pranken dienten dem Beutefang.
Daumenklaue als Tötungswerkzeug?
„Wir schließen aus unseren Ergebnissen, dass der Beutelöwe seine Vorderbeine weitaus stärker zum Greifen und Manipulieren seiner Beute nutzte als sein heute lebendes Gegenstück, der afrikanische Löwe“, sagen Figueirido und seine Kollegen. Während der Löwe seine Beute mit den Pranken festhält, sie aber mit den Zähnen tötet, war dies beim Beutelöwen möglicherweise genau anders herum:
Thylacoleo nutzte wahrscheinlich seine großen, aber eher stumpfen Reißzähne, um seine Beute mit festem Griff zu packen und festzuhalten. Den Todesstoß aber versetzte der Räuber seinem Opfer mit der tödlich scharfen Daumenklaue, so die Vermutung der Forscher. Dafür spricht, dass der Daumen des Beutelöwen mitsamt der auffallend großen, knöchernen Klaue sehr beweglich und abspreizbar war.
Der Beutelöwe könnte diese scharfe Waffe daher durchaus als Tötungswerkzeug eingesetzt haben. Er tötet mit einem Prankenhieb und schlitzte dann seine Beute mit der Daumenklaue auf. (Paleobiology, 2016; doi: 10.1017/pab.2015.55)
(University of Bristol, 18.08.2016 – NPO)