Altersrekord: Ein Geologe hat im Mittelmeer die älteste Ozeankruste der Erde entdeckt. Sie ist rund 340 Millionen Jahre alt und damit gut 100 Millionen Jahre älter als bisher bekannte ozeanische Krustenteile. Das Urzeit-Relikt liegt – versteckt unter kilometerdickem Sediment – im Herodot-Becken zwischen Zypern und der ägyptischen Küste. Aufgespürt und datiert hat der Forscher die alte Ozeankruste mithilfe von Schwerefeld- und Magnet-Messungen, wie er im Fachmagazin „Nature Geoscience“ berichtet.
Die echten Methusalems der Erdkruste liegen im Inneren der Kontinente: Die dicken Festlandssockel aus Granitgesteinen können bis zu vier Milliarden Jahre alt sein. Anders dagegen die ozeanische Kruste: Sie unterliegt einem ständigen Recyclingprozess. Entlang der mittelozeanischen Rücken wird sie neu gebildet, an den Subduktionszonen entlang der Küste dagegen wieder in die Tiefe gedrückt und aufgeschmolzen.
Spurensuche im Herodot-Becken
Die Ozeankruste ist daher vergleichsweise jung. „Reste alter, rund 200 Millionen Jahre alter Ozeane finden sich heute fast nur noch als Fragmente an Land“, erklärt Roi Granot von der Ben-Gurion-Universität in Beer-Sheva. „An ihrer ursprünglichen Position hat man bisher noch nie Relikte alter Ozeankruste entdeckt.“ Das jedoch hat sich nun geändert.
Granot ist es gelungen, einen Rest urzeitlicher Ozeankruste im Mittelmeer aufzuspüren. Für seine Studie wertete der Geologe magnetische Krustenprofile aus, die zwischen 2012 und 2014 von einem Forschungsschiff im östlichen Mittelmeer aufgezeichnet wurden. Hier liegt das sogenannte Herodot-Becken, eine Region, die schon länger im Verdacht steht, älter als die restlichen Krustenteile zu sein. Zusätzlich analysierte der Forscher Satellitendaten zu Schwerefeld-Anomalien dieses Gebiets.
Verräterische Magnetstreifen
Dabei zeigte sich etwas Auffälliges: „Ich habe eine 250 Kilometer lange Sequenz von streifenförmigen magnetischen Anomalien identifiziert“, berichtet Granot. „Das spricht dafür, dass die Kruste im Herodot-Becken ozeanisch ist.“ Denn wenn neue Kruste entsteht, konserviert die erstarrende Gesteinsschmelze die gerade vorherrschende Polung des Erdmagnetfelds.
Spannend wurde es, als Granot das Magnetstreifenmuster datierte. Weil bekannt ist, wann und in welchen Intervallen sich das Erdmagnetfeld umpolte, kann man aus der Abfolge der Magnetstreifen entnehmen, wann die Kruste gebildet wurde. Im Falle der ozeanischen Kruste unter dem Herodot-Becken kommt Granot auf einen Wert von rund 340 Millionen Jahren.
Älteste Ozeankruste überhaupt
Damit jedoch ist das Gestein unter dem Herodot-Becken die bisher älteste bekannte Ozeankruste überhaupt. Dieses Stück Meeresgrund im Mittelmeer existierte damit schon lange, bevor Atlantik und Indischer Ozean entstanden. „Das hat bedeutende Auswirkungen für unser Verständnis der Plattentektonik im Karbonzeitalter“, erklärt Granot.
Überraschend ist der Fund aber nicht nur wegen des hohen Alters der Ozeankruste, sondern auch wegen der Lage dieses Urzeit-Relikts: Gerade die Mittelmeerregion hat im Laufe der Erdgeschichte ein tektonisches Hin und Her erlebt, der den Untergrund in ein Mosaik verschiedenster Krustenteile und Plattenfragmente verwandelte. Denn hier brach erst der Superkontinent Pangäa auseinander, dann kollidierten Afrikanische und Eurasische Erdplatte.
Brach Pangäa früher auseinander?
Die Kruste im Herodot-Becken ist vermutlich ein Relikt des urzeitlichen Tethysmeeres, wie Granot erklärt. Dieser Mittelmeer-Vorläufer bildete sich, als Pangäa auseinanderbrachen. Stimmt jedoch Granots Datierung der Herodot-Kruste, dann muss sich das Tethysmeer 50 Millionen Jahre früher aufgetan haben als bisher angenommen. „Das wiederum impliziert, dass der Pangäa-Superkontinent bereits wieder zu zerfallen begann, noch bevor er vor 320 Millionen Jahren seine Verschmelzung abgeschlossen hatte“, konstatiert Granot.
Die alte Ozeankruste unter dem Herodot-Becken beeinflusst aber auch heutige tektonische Vorgänge, wie der Forscher erklärt. Denn der Übergang von der dünnen, gedehnten Ozeankruste im Levante-Becken zur relativ starken Kruste des Herodot-Beckens könnte erklären, warum in dieser Zone vermehrt Erdbeben auftreten. (Nature Geoscience, 2016; doi: 10.1038/ngeo2784)
(Nature Group, 16.08.2016 – NPO)