Mysteriöse „Wüste“: Astronomen haben eine rätselhafte „Sternen-Wüste“ im Milchstraßenzentrum entdeckt. In diesem bis zu 8.000 Lichtjahre nach außen reichenden Gebiet gibt es so gut wie keine jungen, veränderlichen Sterne – was den Erwartungen völlig widerspricht. Das bedeutet, dass ausgerechnet im eigentlich dichtesten Sternengewühl in jüngster Zeit so gut wie keine Sternbildung stattfand, wie die Forscher erklären. Warum, bleib vorerst rätselhaft.
Obwohl die Milchstraße unsere Heimatgalaxie ist, kennen wir längst nicht alle ihre Geheimnisse – im Gegenteil. Gerade ihr von dichten Staubwolken verhülltes Zentrum ist bisher nur in Teilen erforscht. So entdeckten Astronomen erst vor einigen Jahren, dass sich dort ein gigantisches „X“ aus Sternen verbirgt, dass es in der Milchstraße ein zweites großes Schwarzes Loch geben könnte und dass vom Zentrum unserer Galaxie zwei enorme Gasblasen ausgehen.
Cepheiden-Fahndung im Milchstraßen-Zentrum
Eine weitere Entdeckung haben nun Noriyuki Matsunaga von der Universität Tokio und seine Kollegen gemacht, als sie das Milchstraßenzentrum im Nahinfrarot durchmusterten und dabei gezielt nach sogenannten veränderlichen Sternen suchten. Diese Cepheiden sind junge Sterne, deren Helligkeit regelmäßig pulsiert und die sich besonders gut als kosmische Entfernungsmesser eignen.
„Wir hatten schon vor einiger Zeit herausgefunden, dass es solche Cepheiden im unmittelbaren Herzen der Milchstraße, in einem rund 150 Lichtjahre großen zentralen Gebiet gibt“, erklärt Matsunaga. Doch als die Astronomen nun die Zone etwas weiter außen ebenfalls nach Cepheiden durchsuchten, fanden sie – fast nichts.
„Eine gewaltige Cepheiden-Wüste“
Obwohl die Sterne im galaktischen Zentrum besonders dicht stehen, fanden die Forscher in einer tausende Lichtjahre großen Zentralzone kaum Cepheiden – und damit kaum junge Sterne. „Außerhalb der kleinen inneren Kernzone existiert eine gewaltige Cepheiden-Wüste, die sich bis zu 8.000 Lichtjahre vom Zentrum nach außen erstreckt“, berichtet Matsunaga.
Die alte Grundregel: „Je näher man dem Galaxienzentrum kommt, desto dichter werden die Sterne“ scheint demnach zumindest für junge Sterne in der Milchstraße nicht zu gelten – jedenfalls nicht auf der uns zugewandten Seite des galaktischen Bulge. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es in diesem gewaltigen Gebiet in den letzten hunderten von Millionen Jahren keine signifikante Sternbildung gegeben hat“, sagt Koautor Giuseppe Bono von der Universität Rom.
Seltsamerweise scheint diese Cepheiden-Wüste aber keinen geschlossenen Ring um das Milchstraßen-Zentrum zu bilden. Denn auf der von uns abgewandten Seite des galaktischen Bulge haben sowohl Matsunaga und seine Kollegen als auch andere Astronomen durchaus Cepheiden entdeckt. Warum diese jungen Sterne auf unserer Seite fehlen, bleibt vorerst rätselhaft. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2016; doi: 10.1093/mnras/stw1548)
(Royal Astronomical Society, 03.08.2016 – NPO)