Neurobiologie

Kuschelhormon verpasst uns eine „Rosa Brille“

Oxytocin lässt uns positives Feedback stärker wahrnehmen als negatives

Das Kuschelhormon Oxytocin lässt uns negative Informationen schwächer wahrnehmen - und setzt uns so eine "Rosa Brille" auf. © Tune InT iStock.com

Auf Optimismus gepolt: Das „Kuschelhormon“ Oxytocin macht uns nicht nur treu und sozial, es verpasst uns auch eine Rosa Brille. Denn unter dem Einfluss dieses Botenstoffs nehmen wir positives Feedback stärker wahr, negative Informationen und Kritik dagegen schwächer, wie ein Experiment belegt. Das Kuschelhormon trägt so dazu bei, uns Menschen eine von Natur aus eher optimistische Weltsicht zu verleihen, wie die Forscher im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ berichten.

Das Hormon Oxytocin greift auf vielfache Weise in unser Sozialverhalten ein: Es fördert Treue in der Partnerschaft, stärkt unsere Empathie und löst uns beim Bettgeflüster nach dem Orgasmus die Zunge. Gleichzeitig hemmt es Angst und negative Gefühle und dämpft Misstrauen gegenüber anderen.

Wie sich jetzt zeigt, erstreckt sich diese „Rosa Brille“ des Oxytocins auch auf einen anderen wichtigen Bereich unserer Wahrnehmung: unsere Reaktion auf negatives Feedback oder negative Informationen. Wie Studien zeigen, neigen die meisten Menschen von Natur aus dazu, positives, unser Handeln bestärkendes Feedback stärker zu beachten als negatives. Yina Ma von der Beijing Normal University in Peking und ihre Kollegen haben nun untersucht, welche Rolle das Oxytocin dafür spielt.

Risiko für Unfall, Krankheit oder Tod

Für ihre Studie verabreichten sie der Hälfte ihrer rund 300 Probanden Oxytocin per Nasenspray, die anderen erhielten ein Placebo. Anschließend bekamen die Teilnehmer eine List von 40 negativen Lebenserfahrungen – Krankheit, Trennung, Unfall und Ähnliches – und sollten angeben, wie hoch sie für sich selbst das Risiko jedes Ereignisses einschätzen. Dies bildete den Basiswert.

Im zweiten Versuchsteil erhielten die Teilnehmer zuerst Informationen darüber, wie häufig diese negativen Ereignisse einem durchschnittlichen Menschen in vergleichbaren Lebensumständen zustoßen. Je nachdem, wie sie vorher geschätzt hatten, stellte diese Informationen entweder ein negatives oder positives Feedback dar. Kurz darauf wurde der Einschätzungstest aus den ersten Teil mit geänderter Reihenfolge wiederholt.

Selektive Wahrnehmung

Das Ergebnis: Die Teilnehmer, die zusätzliches Oxytocin erhalten hatten, schätzten die Risiken für die negativen Lebensereignisse im zweiten Durchgang deutlich positiver ein als im ersten – und positiver als ihre Mitprobanden. Gleichzeitig stieg unter Oxytocin-Einfluss auch die Zuversicht der Probanden, mit ihrer Einschätzung richtig zu liegen.

Der Einfluss des Oxytocins trägt dazu bei, uns optimistischer zu stimmen - und das ist wahrscheinlich auch gut so. © gemeinfrei

Aber warum? Wie die Forscher erklären, verstärkte der Oxytocin-Einfluss die selektive Wahrnehmung der Teilnehmer: Sie berücksichtigten vor allem die Information, die ihre anfängliche Einschätzung zu ihren Gunsten korrigierte. Hatten sie dagegen beim Basistest zu optimistisch getippt, neigten sie dazu, das Feedback dazu zu missachten. „Das Oxytocin macht es den Probanden offenbar leichter, Irrtümer in positiver Richtung zu korrigieren als in negativer“, berichten Ma und ihre Kollegen.

Rosa Brille

Nach Ansicht der Forscher setzt uns das „Kuschelhormon“ demnach nicht nur eine Rosa Brille auf, wenn es um das Vertrauen zu einem Gegenüber geht oder die Reaktion auf mögliche Gefahren. Es sorgt auch dafür, dass wir eher auf positive Verstärkung und optimistisches Feedback reagieren als auf negative Informationen. Es macht uns damit optimistischer.

Das aber ist nach Meinung vieler Psychologen auch durchaus sinnvoll: „Optimistisches Updating verbessert das Wohlergehen, den sozialen Erfolg und das physische Wohlbefinden des Einzelnen“, erklären Ma und ihre Kollegen. „Optimistischere Menschen haben in der Regel bessere soziale Kontakte und Beziehungen, erfahren stärkere soziale Unterstützung und haben größere soziale Netzwerke.“ (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2016; doi: 10.1073/pnas.1604285113)

(PNAS, 02.08.2016 – NPO)

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