Krieg durchs Klima? Naturkatastrophen mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen erhöhen das Risiko für Kriege und gesellschaftliche Konflikte. Diesen Zusammenhang bestätigt erneut eine weltweite Studie. Demnach fällt der Beginn bewaffneter Auseinandersetzungen zeitlich oft mit Dürren, Hitzeperioden oder anderen klimabezogenen Extremereignissen zusammen. Besonders deutlich zeigt sich der Effekt in ethnisch stark fragmentierten Ländern – vermutlich, weil ohnehin existierende Spannungen zwischen Bevölkerungsgruppen durch solche Katastrophen verschärft werden.
Ob anhaltende Dürreperioden, Überschwemmungen oder Wirbelstürme: In vielen Teilen der Welt leiden Menschen immer wieder unter klimabezogenen Naturkatastrophen. Die Folgen wie Missernten oder Wasserknappheit machen den Bewohnern der betroffenen Gebiete nicht nur das Überleben schwer – sie fördern womöglich auch Kriege und Konflikte. Diesen Zusammenhang haben Forscher unter anderem bereits am Beispiel des El Niño festgestellt. Demnach häufen sich mit dem Auftreten des pazifischen Wetterphänomens blutige Konflikte in tropischen Ländern.
„Trotzdem streitet sich die Wissenschaft heftig darüber, ob klimabezogene Faktoren tatsächlich signifikant zu den jüngsten bewaffneten Auseinandersetzungen auf der ganzen Welt beigetragen haben“, schreiben Forscher um Carl-Friedrich Schleussner vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Sie liefern nun eine umfassende Analyse, die diese Streitfrage klären soll.
Naturkatastrophen und Kriegsausbrüche im zeitlichen Vergleich
Die Wissenschaftler untersuchten für ihre Studie, wann und wo in den Jahren 1980 bis 2010 neue Konflikte ausgebrochen waren. Diese Daten verglichen sie mit dem Auftreten von Naturkatastrophen wie Hitzewellen und Dürren. Dabei betrachteten sie auch, wie stark eine Region von einem solchen Ereignis betroffen war. Als Anhaltspunkt dafür galt ihnen der durch die Katastrophe verursachte wirtschaftliche Schaden, den sie in Abhängigkeit zum Bruttoinlandsprodukt bewerteten.
„Eine klare Schwäche der meisten Studien in diesem Zusammenhang ist, dass sie meteorologische Werte wie Niederschlagsmengen betrachten – nicht aber die eigentliche Belastung der betroffenen Gebiete analysieren“, erklärt das Team. Doch nicht in jedem Land wirke sich eine Dürre gleich stark aus. „Das könnte ein Grund dafür sein, dass Experten sich so uneinig über die Aussagekraft der zur Verfügung stehenden Untersuchungen sind.“
Zusammenhang in einem von vier Konflikten
Die Auswertungen von Schleussners Team zeigen: Kriegerische Konflikte standen in der Vergangenheit tatsächlich erstaunlich oft in einem zeitlichen Zusammenhang mit einer Naturkatastrophe, die einen definierten Schwellenwert wirtschaftlichen Schadens überschritten hatte.
Besonders häufig trat dies in Ländern auf, die ethnisch sehr heterogen sind. In den 50 Staaten mit der höchsten ethnischen Diversität brach rund einer von vier Konflikten nach einem klimabezogenen Ereignis mit schwerwiegenden wirtschaftlichen Folgen aus, das im gleichen Monat stattgefunden hatte. Auch weltweit beobachteten die Wissenschaftler diesen Zusammenhang – wenn auch weniger deutlich. So stellten sie unter anderem fest: Neun Prozent aller Kriegsausbrüche fielen mit Dürren oder Hitzewellen zusammen.
Verschärfung bestehender Spannungen
Dass multiethnische Länder anfälliger für den Einfluss solcher Klima- und Wetterereignisse sind, verwundert die Forscher nicht. Immerhin seien die meisten Bürgerkriege der vergangenen 70 Jahre entlang ethnischer Grenzen gefochten worden. Spannungen zwischen Bevölkerungsgruppen spielten eine bedeutende Rolle in bewaffneten Konflikten auf der ganzen Welt.
Naturkatastrophen könnten Schleussner und seinen Kollegen zufolge unterschwellige gesellschaftliche Spannungen verschärfen – und das Fass gewissermaßen zum Überlaufen bringen. Womöglich spiele für die Wahrscheinlichkeit solcher Ausbrüche auch die sozioökonomische Diskriminierung bestimmter Gruppen in einem Land eine Rolle. Abhängig von ihrer Ethnizität können Menschen demnach unterschiedlich stark unter einer Naturkatastrophe leiden – eine Ungleichheit, die Konflikte provozieren könnte.
Weitere Destabilisierung?
Ausgerechnet einigen Nationen mit der größten ethnischen Heterogenität suchen in Zukunft wahrscheinlich immer mehr Naturkatastrophen heim, wie die Forscher berichten: „Klimaprognosen sagen für diese Regionen einen drastischen Anstieg extremer Wetterphänomene voraus.“ Insbesondere viele Länder in Afrika und Zentralasien seien davon betroffen – dort könnte das Risiko für bewaffnete Konflikte demnach künftig besonders stark zunehmen. „Zumal diese Staaten meist auch wirtschaftlich sehr anfällig und zum Teil jetzt schon von Konflikten gebeutelt sind“, schreibt das Team.
Wie die Wissenschaftler betonen, bedeuten die Ergebnisse zwar nicht, dass Naturkatastrophen blutige Auseinandersetzungen direkt auslösen. Doch sie haben das Potenzial, das Risiko eines Kriegsausbruchs zu erhöhen. „Solche einschneidenden Ereignisse können bereits existierende gesellschaftliche Spannungen und Stressoren verstärken – und damit einige der konfliktträchtigsten Regionen auf der Welt weiter destabilisieren“, schließen sie. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2016; doi: doi/10.1073/pnas.1601611113)
(PNAS, 26.07.2016 – DAL)