Astronomie

Größte 3D-Galaxienkarte verrät Expansion des Kosmos

Vermessung von 1,2 Millionen Galaxien spricht gegen eine höhere Hubble-Konstante

Dieser Ausschnitt zeigt etwa zehn Prozent der neuen Galaxienkarte und eröffnet einen dreidimensionalen Blick in die Galaxienverteilung und ihre Bewegungen. Das Rechteck links zeigt einen Ausschnitt von 1000 Quadrat-Grad am Himmel, der fast 120.000 Galaxien enthält, etwa zehn Prozent des gesamten BOSS-Katalogs. © Jeremy Tinker/ SDSS-III

Fünf Milliarden Lichtjahre tief und ein Viertel des Himmels groß: Das sind die Ausmaße der bisher größten dreidimensionalen Galaxienkarte, die Astronomen je erstellt haben. Auf Basis von rund 1,2 Millionen Galaxien haben Forscher damit die kosmische Expansion präzise nachgemessen. Das Spannende daran: Ihre Werte für die Hubble-Konstante stimmen zwar gut mit einigen vorherigen überein – nicht aber mit allen.

Sie ist noch immer die große Unbekannte im Universum: die Dunkle Energie. Sie ist die Triebkraft für die Expansion des Kosmos, doch woraus sie besteht und wie stark sie zu verschiedenen Zeiten wirkte, ist weitgehend ungeklärt. Messungen der Expansionsrate sorgen immer wieder für Rätselraten, weil sie je nach Methode deutlich voneinander abweichen.

650 Milliarden Kubiklichtjahre

Ein Team aus hunderten von Astronomen hat nun die bisher umfangreichste dreidimensionale Galaxienkarte fertiggestellt. Die Forscher des Baryon Oscillation Spectroscopic Survey (BOSS) hatten bereits vor zwei Jahren erste Vorabversionen dieser Karte genutzt, um die Entfernungen von 1,2 Millionen Galaxien mit einem Prozent Genauigkeit zu vermessen – so präzise wie nie zuvor.

„Zehn Jahre lang haben wir Messungen von 1,2 Millionen Galaxien über ein Viertel des Himmels hinweg gesammelt, um damit die Struktur des Universums in einem Volumen von 650 Milliarden Kubiklichtjahren zu kartieren“, sagt Jeremy Tinker von der New York University, einer der Leiter des Projekts. Die jetzt abgeschlossene Karte zeigt Galaxien aus der Zeit von vor zwei bis sieben Milliarden Jahren und erfasst damit eine entscheidende Zeit: Bisherigen Erkenntnissen nach nimmt die kosmische Expansion seit etwa fünf bis sechs Milliarden Jahren an Tempo zu.

Die baryonischen akustischen Oszillationen hinterließen subtile Schwankungen in der Galaxienverteilung. © Zosia Rostomian/ LBNL

„Eingefrorene“ Dichtewellen als Messlatte

Um die Ausdehnungsrate und damit die Wirkung der Dunklen Energie zu messen, analysieren die Forscher in der neuen Karte subtile Schwankungen in der Verteilung der Galaxien. Sie entstanden durch Dichtewellen im frühen Kosmos, sogenannte Baryonische Oszillationen. Rund 400.000 Jahre nach dem Urknall brach die Kopplung von Licht und Materie jedoch zusammen, so dass das Muster dieser Dichtewellen quasi „eingefroren“ wurde.

Genau das ermöglicht die Messung der kosmischen Expansion: Weil sich diese primordialen Dichtewellen sowohl in der kosmischen Hintergrundstrahlung als auch in der späteren Galaxienverteilung widerspiegeln, können Forscher durch Vergleiche beider auf die seither erfolgte Expansion schließen.

Diskrepanzen bei der Expansion

Das Ergebnis: Die BOSS-Forscher kommen auf einen Wert der Hubble-Konstante von 67,6 Kilometer pro Sekunde pro Megaparsec (km/s/Mpc). Damit aber liegen sie sehr nahe an dem Wert von 67,15 km/s/Mpc, den der Planck-Satellit im Jahr 2013 ermittelt hatte – und deutlich niedriger als die erst vor wenigen Wochen veröffentlichten Ergebnisse eines Teams, das die Expansion anhand von Supernovae und veränderlichen Sternen bestimmt hatte.

Jeder Punkt in diesem Kartenausschnitt zeigt die Position einer Galaxie vor sechs Milliarden Jahren. DIe Farbe steht für ihre Entfernung: gelb= nah, lila= fern. Das Bild umfasst etwa 1/20 des Himmels – einen Ausschnitt des Weltalls, der sechs Milliarden Lichtjahre breit, 4,5 Milliarden Lichtjahre hoch und 500 Millionen Lichtjahre dick ist. © Daniel Eisenstein/ SDSS-III

„Unsere Karte sagt uns, dass sich der Einfluss der Dunklen Energie in dem von uns betrachteten Zeitausschnitt sehr langsam, wenn überhaupt, verändert hat“, erklärt Florian Beutler von der University of Portsmouth.

Die Auswertungen der Galaxienkarte scheinen damit das klassische Modell eines flachen Universums mit kalter, Dunkler Materie (ΛCDM) zu bestätigen. Nach diesem halten sich der Einfluss der Masse und der Dunklen Energie so die Waage, dass die Expansion erst nach unendlich langer Zeit stoppen wird. Auch das von den Forschern beobachtete Verhalten der Galaxien entspricht genau den Vorhersagen der Allgemeinen Relativitätstheorie.

Offene Fragen bleiben

Die Diskrepanzen mit den neuesten Supernovae-Messergebnissen der Hubble-Konstante bleiben damit jedoch bestehen. „Ob dies mit einer Kombination aus statistischen und systematischen Fehlern erklärt werden kann oder ob das flache ΛCDM-Modell zusammenbricht, ist eine spannende offene Frage“, konstatieren die Forscher.

In jedem Falle hat sich die neue Galaxienkarte schon jetzt als ein wertvolles Werkzeug der Kosmologie erwiesen: „Wir glauben, dass der Baryon Oscillation Spectroscopic Survey einen wichtigen kosmologische Meilenstein markiert, indem er präzise Messungen der Materieverteilung in einem enormen Volumen des Kosmos mit detaillierten Modellierungen und Beobachtungen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds verbindet“, so das Fazit der Astronomen. (Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, in press; arXiv:1607.03155)

(Lawrence Berkeley National Laboratory / BOSS, 15.07.2016 – NPO)

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