Physik

Ganze Familie von Tetraquarks entdeckt

Physiker entdecken gleich vier verschiedene exotische Teilchen

Alle vier neuentdeckten Tetraquarks haben eines gemeinsam: Sie bestehen nur aus Charm- und Strange-Quarks. © verändert nach Fermilab

Exotische Vierlinge: Am Teilchenbeschleuniger LHC haben Physiker gleich vier verschiedene Teilchen aus jeweils vier Quarks entdeckt – sozusagen „Geschwister“. Ungewöhnlich auch: Alle vier Tetraquarks bestehen nicht aus Quarks, wie sie in normaler Materie vorkommen, sondern ausschließlich aus den schweren Charm- und Strange-Quarks. Das mache diese Tetraquarks bisher einzigartig, so die Forscher.

Quarks sind fundamentale Bausteine der Materie, aus ihnen bestehen unter anderem die Protonen und Neutronen des Atomkerns. Normalerweise kommen Quarks nur in Zweier- oder Dreier-Kombinationen vor. In den letzten Jahren jedoch haben Physiker in Teilchenbeschleunigern auch kurzlebige Teilchen aus vier Quarks, fünf Quarks und sogar sechs Quarks erzeugt.

Vier exotische „Geschwister“

Jetzt haben Thomas Britton und Tomasz Skwarnicki von der Syracuse University nicht nur ein weiteres Tetraquark entdeckt, sie stießen auf gleich vier neue Varianten dieser exotischen Vier-Quark-Teilchen. „Wir haben vier exotische Partikel des gleichen Typs“, erklärt Skwarnicki. „Obwohl sie aber alle die gleiche Quark-Zusammensetzung besitzen, hat jedes von ihnen eine einzigartige innere Struktur, Masse und Quantenzahl-Kombination.“

Wie die Forscher erklären, kommt die unterschiedliche Masse der vier „Geschwister“ dadurch zustande, dass die Quarks in ihrem Inneren eine jeweils andere energetische Konfiguration besitzen. „Die Quarks in diesen Tetraquarks verhalten sich wie Elektronen in Atomen“, erklärt Skwarnicki. „Sie könne angeregt werden und in höhere Orbitale springen.“ Die jeweilige Konfiguration gibt jedem der vier Teilchen seine einzigartige Masse und Identität.

Die vier Peaks im unteren Teil der Kurven stammen von den neuentdeckten Tetraquarks © LHCb Collaboration/CERN

Komplett aus schweren Quarks

Die vier neuen Tetraquarks, nach ihrer Masse X(4140), X(4274), X(4500) und X(4700) getauft, wurden bei Protonenkollisionen im Detektor LHCb des Large Hadron Collider (LHC) am CERN entdeckt. „Als wir die Daten sahen, haben wir zunächst alle bekannten Teilchen und Prozesse überprüft, um sicherzugehen, dass diese vier Strukturen nicht durch bereits existierende Physik erklärt werden konnten“, sagt Britton.

Doch das war nicht der Fall. Stattdessen handelte es sich um vier höchst ungewöhnliche Tetraquarks. Denn alle bisherigen Vier-Quark-Teilchen bestanden wenigstens zum Teil aus den Quarks, die auch in normaler Materie auftauchen. Doch die neuen „Vierlinge“ enthalten jeweils ein Paar Charm-Quarks und ein Paar Strange-Quarks – und damit eher schwere Varianten der Elementarteilchen.

„So etwas haben wir noch nie zuvor gesehen“, sagt Skwarnicki. Es handele sich um die ersten Tetraquarks, die ausschließlich aus schweren Quarks bestehen. „Je schwerer die Quarks, desto kleiner sind die Teilchen, die aus ihnen zusammengesetzt sind“, erklärt der Forscher. Das leichteste der vier neuen Tetraquarks, X(4140), ist viermal schwerer als ein Proton. Seine drei „Geschwister“ sind noch gewichtiger.

Blick in den Detektor LHCb am Large Hadron Collider des CERN © CERN/LHCb Collaboration

Eher wie in Atombausteinen, nicht wie im Molekül

Die neuen Daten geben auch erste Hinweise darauf, wie die Quarks in den Tetraquarks verbunden sind: „Quarks können eng verbunden sein wie die drei Quarks in einem Proton oder aber nur lose verknüpft, wie zwei Atome, die ein Molekül bilden“, beschreibt Skwarnicki. Auch bei bisherigen Tetraquarks-Funden blieb ungeklärt, welche Variante zutrifft.

„Indem wir die Quantenzahlen der Teilchen analysiert haben, konnten wir die Möglichkeiten einengen“, berichtet der Physiker. „Wir konnten die Molekül-Hypothese ausschließen.“ Einfach war dies allerdings nicht: „Es war wie das Backen eines sechsdimensionalen Kuchens mit 98 Zutaten und keinem Rezept“, vergleicht Britton.

Herausforderung für die Theoretiker

Nachdem die vier Neulinge nachgewiesen sind, stehen theoretische Physiker nun vor der Aufgabe, ihre Existenz zu erklären. Dafür müssen sie die existierenden theoretischen Modelle durchforsten und nach Lösungen suchen, die solche exotischen Quark-Kombinationen erzeugen. Auch Skwarnicki ist sich nicht sicher, was er und seine Kollegen von der LHCb-Kollaboration da entdeckt haben:

„Es könnte sich um ein Quartett völlig neuer Teilchen handeln, aber auch um eine komplexe Wechselwirkung bereits bekannter Partikel“, erklärt er. „in jedem Fall wird das Ergebnis der Überlegungen unser Verständnis des subatomaren Universums prägen.“ (Physical Review Letters, in press; arXiv:1606.07895)

(Syracuse University/ LHCb Collaboration, 11.07.2016 – NPO)

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