Technik

Roboter-Rochen mit echten Muskelzellen

Autonomer Roboter ist Zwitter aus biologischen und künstlichen Komponenten

Der winzige Roboter-Rochen besteht aus transparentem Kunststoff, einem Goldskelett und lebenden Muskelzellen. © Karaghen Hudson und Michael Rosnach

Faszinierend und gruselig zugleich: Forscher haben einen schwimmenden Bioroboter konstruiert, der von lebenden Zellen angetrieben wird. Mit seinem flachen Polymerkörper ähnelt er einem Miniatur-Rochen – und er schwimmt auch so: Genmanipulierte Rattenmuskelzellen in seinem Inneren ziehen sich zusammen, sobald Licht auf sie fällt und bewegen so die „Flossen“ des Roboterrochens, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten. Sie sehen in solchen Biorobotern einen Trend der Zukunft.

Dass die Robotik bei der Natur abschaut, hat schon Tradition. Einige Roboter imitieren Schaben, andere den Gang von Stabheuschrecken oder das soziale Miteinander von Ameisen. Auch für den Einsatz elastischer Polymere als Körper statt harter Metalle stand die Natur Pate, unter anderem in Form von Seesternen und Schnecken.

Sung-Jin Park von der Harvard University in Cambridge und seine Kollegen sind nun noch einen Schritt weiter gegangen: Sie ahmen nicht nur die Natur nach, sie integrieren gleich lebende Zellen in den Roboterkörper und nutzen diese als Robotermuskeln. Letztlich haben sie damit eine Art Zwitter aus Leben und Technik geschaffen.

Goldskelett und Rattenzellen

Ihr nur 16 Millimeter langer Bioroboter besteht aus einem „Körper“ aus einem transparentem Elastomer. Diese gummiartige Masse ist so geformt, dass sie einem Mini-Rochen ähnelt. Ähnlich wie dieser ist der Roboter abgeflacht, mit dicker Mitte und nach außen flacher werdenden „Flossen“. Im Inneren besitzt der Roboterrochen ein Skelett aus Gold, das ihm Stabilität gibt und als Gegenpart zu den Muskeln dient.

Für den Antrieb des Roboters sorgt eine Schicht aus rund 200.000 lebenden Muskelzellen von Ratten. „Diese Myocyten wurden gentechnisch so modifiziert, dass sie auf optische Reize reagieren“, erklären Park und seine Kollegen. Wenn ein Licht vor dem Rochen erscheint, reagieren die Muskelzellen darauf, indem sie sich sukzessive zusammenziehen. „Eine periodische optische Stimulation führt so zu einer rhythmischen Vorwärtsbewegung“, so die Forscher.

Angeregt durch Lichtblitze kontrahieren die Muskelzellen und der Roboter-Rochen bewegt seine Flossen. © Sung-Jin Park

Wellenförmige Bewegung der Flossen

Tatsächlich bewegt sich der Roboterrochen ganz ähnlich wie sein lebendes Vorbild: Das Zusammenspiel von Goldskelett und Muskelschicht erzeugt eine abwechselnde, wellenförmige Bewegung seines Körpers. Ziehen sich die Muskeln unter Lichteinfluss zusammen, krümmen sich Flossen und Körper nach unten. Lässt die Kontraktion nach, zieht das elastische Goldskelett die Flossen wieder nach oben.

Auf diese Weise schwimmt der Roboterrochen selbstständig in einer isotonischen Salzlösung – immer dorthin, wo das Licht leuchtet. Er erreicht dabei immerhin ein Tempo von 3,2 Millimeter pro Sekunde und ist damit schneller als bioinspirierte Quellenroboter, wie die Forscher berichten. Als Energiequelle reicht ihm dabei ein wenig in der Flüssigkeit gelöste Glukose, die von den Muskelzellen bei Bedarf aufgenommen wird.

Sogar einen Hindernisparcours hat der Mini-Rochen bereits erfolgreich absolviert: Durch Lichtpulse aus verschiedenen Richtungen steuerten die Wissenschaftler den Roboter einen Slalomkurs zwischen Hindernissen hindurch. Dabei wechselten sich Geradeausstrecken mit Drehmanövern ab. „Unser Rochen dreht sich dabei entweder im Uhrzeigersinn oder dagegen, indem er asymmetrische Wellenbewegungen mit seinen rechten und linken Flossen durchführte“, berichten die Forscher.

Gesteuert von Lichtblitzen bewältigte der Mini-Rochen sogar einen Hindernisparcours.© Sung-Jin Park

Sind solche „Zwitter“ die Zukunft?

Nach Ansicht von Park und seinen Kollegen ist ihr Rochen-Roboter der erste Schritt hin zu Systemen, die biologische und künstliche Komponenten in sich vereinen. „Unsere Arbeit ebnet den Weg zur Entwicklung von autonomen und anpassungsfähigen künstlichen Kreaturen, die multiple sensorische Eindrücke verarbeiten können und darauf mit komplexen Verhaltensweisen reagieren“, konstatieren die Forscher.

Mit ihrer Kombination von lebenden und künstlichen Komponenten sind Park und seine Kollegen allerdings nicht die ersten: Schon vor einigen Jahren haben Forscher Roboter konstruiert, die von lebenden Gehirnzellen gesteuert werden.

Am umgekehrten Weg wird ebenfalls schon länger experimentiert: Lebende Wesen, die durch implantierte Elektronik-Komponenten zu „Cyborgs“ werden. Beispiele sind eine Cyborg-Rose und die umstrittenen Cyborg-Schaben, die als Schülerversuch verkauft werden sollten. (Science, 2016; doi: 10.1126/science.aaf4292)

(Science/AAAS, 08.07.2016 – NPO)

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