Zerstörte Trabanten: Der Mars besaß einst wahrscheinlich mehr Monde als heute. Simulationen deuten darauf hin, dass mindestens ein größerer Trabant den Planeten auf einem nahen Orbit umkreiste. Dieser Mond war zwar nicht stabil und stürzte wieder auf die Planetenoberfläche zurück. Seine Präsenz jedoch könnte erklären, warum die beiden heutigen Marsmonde Phobos und Daimos existieren, so die Forscher im Fachmagazin „Nature Geoscience“.
Phobos und Daimos, die beiden Monde des Mars, geben Rätsel auf. Denn beide sind nur wenige Kilometer groß, unregelmäßig geformt und noch dazu ziemlich leicht und porös. Phobos ist sogar so fragil, dass er erste Risse zeigt und in einigen Millionen Jahren ganz auseinanderbrechen könnte. Wie beide Trabanten einst entstanden, ist bis heute unklar.
Eingefangen oder aus Trümmern verschmolzen?
Einer Theorie nach sind beide Marsmonde ehemalige Asteroiden, die vom Mars eingefangen wurden. Dafür spricht das Material, aus dem Phobos besteht: Es ähnelt dem der kohlenstoffreichen Chondriten, einem häufigen Meteoritentyp. Im Widerspruch dazu steht jedoch die äquatornahe, kreisförmige Umlaufbahn der Monde. Denn typischerweise umkreisen solche „Fremdlinge“ ihre Planeten eher in exzentrischen, gekippten Bahnen.
Eine zweite Theorie geht von einer Entstehung der Monde aus den Trümmern der Planetenbildung oder eines gewaltigen Einschlags aus. Demnach könnte in der Frühzeit des Mars ein bis zu 2.000 Kilometer großer Protoplanet mit ihm kollidiert sein. Dieser Impakt hinterließ das Borealis-Becken in der Nordpolarregion des Mars und einige Milliarden Kilogramm an Trümmern im Orbit des Planeten.
Kein Szenario passte bisher
Doch auch dieses Szenario hat einige Haken: Die Monde müssten relativ nah am Planeten entstanden sein, dort wo die Trümmerbrocken genügend dicht sind und häufig kollidieren. Doch beim Mars liegt diese Zone so nah am Planeten, dass ein Mondorbit dort nicht stabil wäre.
Eine Lösung für diese Widersprüche könnten jetzt Pascal Rosenblatt vom Königlich Belgischen Observatorium in Brüssel und seine Kollegen gefunden haben. Für ihre Studie haben sie erneut verschiedene Bildungsszenarien für die Marsmonde in Simulationen durchgespielt. Sie untersuchten dabei, unter welchen Umständen zwei in der Trümmerwolke eines Einschlags gebildete Monde doch stabil wären.
Mehr Monde um den Mars?
Das überraschende Ergebnis: Die heutigen Bahnen der Marsmonde sind erklärbar, wenn der Mars früher kurzzeitig noch weitere Monde besaß. „Mindestens ein großer innerer Mond mit einer Masse von rund zehn Billiarden Tonnen ist nötig, um zwei Trabanten der Masse von Phobos und Daimos zu produzieren“, berichten die Forscher.
Diese inneren Monde wären, wie es die Theorie fordert, im dichteren Innenbereich des Trümmerrings entstanden. Ihre Präsenz und ihr Schwerkrafteinfluss jedoch sorgte im Außenbereich für Turbulenzen. „Die resultierenden orbitalen Resonanzen sammeln das weit verstreute Material in äußeren Trümmerwolke zusammen und erleichtern so die Akkretion der beiden Trabanten Phobos und Daimos“, berichten Rosenblatt und seine Kollegen.
Auf dem Planeten zerschellt
Die inneren Monde jedoch blieben nicht lange erhalten: „Aufgrund der Anziehungskraft des Planeten fielen diese Monde nach rund fünf Millionen Jahren zurück in den Mars“, so die Forscher. Der mehrere hundert Kilometer große Brocken – und möglicherweise weitere innere Monde – stürzten auf die Planetenoberfläche. „Danach wanderten Phobos und Daimos in ihre heutigen Umlaufbahnen“, erklären die Wissenschaftler.
Allerdings: Auch Phobos ist bereits angezählt. Der größere und innere der beiden Marsmonde hat sich dem Mars im Laufe der Zeit immer stärker angenähert. Die Schwerkraftwirkung des Mars zieht ihn unerbittlich immer näher heran – im Durchschnitt zwei Meter pro Jahr – und die dabei auftretenden Gezeitenkräfte verursachen schon jetzt die Risse im Mond.
„Phobos könnte der letzte Überlebende einer Reihe von abstürzenden Minimonden sein „, erklärt Erik Asphaug von der Arizona State University in einem begleitenden Kommentar. „Er bereitet sich auf seine finale Annäherung vor.“ (Nature Geoscience, 2016; doi: 10.1038/ngeo2742)
(Nature, 05.07.2016 – NPO)