Klima

Grönland: Rekordschmelze durch Jetstream-Welle

Fatale Feedbackschleife von Atmosphärenströmung und arktischer Erwärmung

Tauender Gletscher in Grönland: Im Sommer 2015 erreichte die Schmelze im Norden der Insel Rekordwerte. © Edward Hanna/ University of Sheffield

Arktischer Teufelskreis: Im letzten Sommer wanderte der atmosphärische Jetstream über Grönland so weit nach Norden wie nie zuvor – und löste dort eine Rekordschmelze aus, wie Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten. Das Fatale daran: Die Erwärmung der Arktis fördert solche Verschiebungen des Jetstreams und die wiederum heizen die Arktis auf – ein echter Teufelskreis.

In der Arktis steigen die Temperaturen durch den Klimawandel stärker als irgendwo sonst auf dem Globus. Das aber hat Folgen für das gesamte Klimasystem: Wenn das Temperaturgefälle zwischen kalten Polen und warmem Äquator geringer wird, schwächt sich der Jetstream ab – eine erdumspannende Luftströmung, die für das Wetter der Nordhalbkugel entscheidend ist. Denn seine Schwingungen, die sogenannten Rossby-Wellen, kontrollieren unsere Tief- und Hochdruckgebiete.

Wird der Jetstream durch den Klimawandel langsamer und schwächer, dann beginnt er stärker zu pendeln. Die größere Amplitude der Rossby-Wellen bringt dann warme Luft aus dem Süden sehr viel weiter in den Norden als normal. Bei uns in Europa sind Hitzewellen wie zuletzt im Sommer 2015 die Folge.

Schwung nach Norden

Einen echten Teufelskreis im Bezug auf Jetstream und Klima haben nun Marco Tedesco von der Columbia University in New York und seine Kollegen in Grönland aufgedeckt. Dort erlebte der bisher noch halbwegs stabile Norden im Sommer 2015 eine Rekordschmelze. Als Folge taute nicht nur das Meereis, auch die Gletscher produzierten mehr Schmelzwasser als je zuvor, wie die Forscher berichten.

Anomalien im Schmelzwasserabfluss im Juli 2015 gegenüber dem langjährigen Mittel (rot= starke Verstärkung) © Tedesco et al./ Nature Communications

Die nähere Analyse der Wetterbedingungen ergab, dass der Jetstream dafür eine entscheidende Rolle spielte. Eine Schwingung dieses Windstroms hatte sich im Sommer 2015 so weit aufgeschaukelt, dass sie über Grönland so weit nach Norden reichte wie noch nie zuvor. Er überschritt erstmals den 76. Nördlichen Breitengrad, wie die Forscher berichten. Der bisherige Rekord aus dem Jahr 2009 lag zwei Grad südlicher.

Blockadehoch über dem Eis

Als Folge dieser Verschiebung strömte warme Luft bis nach Nordgrönland hinein. Als sich dann von der Luftmassengrenze ein Hochdruckgebiet abschnürte und über dem Nordpolarmeer westlich Grönlands festsetzte, verstärkte sonniges Wetter diesen Effekt noch. Dieses Blockadehoch veränderte zudem die Winde über Nordgrönland um: Statt der sonst gängigen Westwinde kam der Wind nun aus dem Osten.

Eine solche Wetterlage tritt in Grönland jedoch nicht zum ersten Mal auf. Studien zeigen, dass von den Rossby-Wellen abgeschnürte Blockadehochs sich in den letzten 20 bis 30 Jahren zunehmend häufen. „Die signifikante Erhöhung solcher Blockaden hängt eindeutig sowohl mit den Veränderungen des Jetstreams zusammen als auch mit der starken Erwärmung der Region“, erklärt Edward Hanna von der University of Sheffield.

Der Jetstream ist wetterprägend für die gesamte Nordhalbkugel, doch durch den Klimawandel verändert er sich.© Scott Sabol/ NASA

Arktischer Teufelskreis

Zum Teufelskreis wird das Ganze, weil einerseits der Jetstream das arktische Klima prägt, aber andererseits die Temperaturentwicklung der Arktis die Windströmung beeinflusst. „Wenn der Verlust des Meereises den Jetstream verändert, dann verändert er wiederum das Klima Grönlands“, erklärt Tedesco. Denn solche Nordschwünge des Jetstreams können die arktische Klimaerwärmung bedeutend beschleunigen. „Das jedoch wirkt sich auf das gesamte Klimasystem aus“, so der Forscher.

Schon jetzt mehren sich die Hinweise darauf, dass dieser Teufelskreis längst in Gange ist – und sich künftig noch verstärken wird. „Es ist relativ wahrscheinlich, dass wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren weitere Rekordschmelzen in Grönland erleben werden“, konstatiert Hanna. (Nature Communications, 2016; doi: 10.1038/ncomms11723)

(Columbia University / University of Sheffield, 13.06.2016 – NPO)

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