Stete Strömung: Forscher haben herausgefunden, wie die rätselhaften Polygon-Muster der großen Eisebene des Pluto entstanden. Sie sind wahrscheinlich die Folge von Umwälzströmungen im Eis, die ständig wärmere Eismassen nach oben und kalte nach unten bringen. Das aber bedeutet, dass die Oberfläche der Eisebene sich ständig erneuert – sie ist höchstens eine Million Jahre alt, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature“ berichten.
Der Zwergplanet Pluto ist alles andere als kalt und tot: Aufnahmen der NASA-Raumsonde New Horizons zeigen gewaltige Gebirge aus Wassereis, fließende Gletscher und organische Nebelschleier und vielleicht sogar aktive Eisvulkane.
Rätselhafte Polygone
Ungewöhnlich ist auch die 1.200 Kilometer große Eisebene Sputnik Planum mitten im auffallenden „Herz“ des Zwergplaneten. Denn das Eis dieser Ebene ist in rund 20 bis 30 Kilometer große, polygonale Schollen geteilt, die von flachen Rinnen begrenzt werden. Nur am Rand von Sputnik Planum laufen diese Schollen flach aus.
Was aber bewirkt diese seltsame Musterbildung? Theoretisch kommen dafür zwei physikalische Prozesse in Betracht: Die Schollen könnten zum einen durch Schrumpfungsprozesse entstanden sein, ähnlich wie bei einer eintrocknenden Schlammschicht. Möglich wäre aber auch, das Umwälzströmungen im Eis – eine Konvektion – dieses Schollenmuster erzeugte.
Konvektion statt Schrumpfung
Welches Szenario stimmen könnte, haben nun gleich zwei Forscherteams anhand von Messdaten und physikalischen Modellen untersucht. Sie prüften dabei unter anderem, ob der Auftrieb durch thermischen Unterschiede im Eis stark genug ist, um wärmere Eismassen durch das zähe Eis bis an die Oberfläche aufsteigen zu lassen – und so eine Konvektion in Gang zu halten.
Unabhängig voneinander kommen beide Teams zu dem Ergebnis: Die polygonen Eisschollen in Sputnik Planum sind wahrscheinlich tatsächlich durch Konvektion im Eis entstanden. Wie sie ausrechneten, reicht der Temperaturunterschied zwischen rund 33 Kelvin an der Eisoberfläche und 40 Kelvin im Eisinneren aus, um dem wärmeren Tiefeneis genügend Auftrieb zu verleihen. Trotz der hohen Viskosität steigt das wärmere Eis daher im Zentrum der Schollen auf. Kühleres Oberflächeneis wandert gleichzeitig an die Ränder der Schollen und sinkt dort in die Tiefe ab.
„Eine der jüngsten Oberflächen im Sonnensystem“
Aus den Modellen ergibt sich auch das ungefähre Tempo dieser eisigen Umwälzströmung und damit das durchschnittliche Alter der Eisoberfläche: „Wir kalkulieren die mittlerer Geschwindigkeit der Konvektion auf 1,5 Zentimeter pro Jahr“, berichten Alexander Trowbridge von der Purdue University und seine Kollegen. Das maximale Alter der Oberfläche von Sputnik Planum liegt ihren Berechnungen nach bei rund einer Million Jahren, MacKinnon und sein Team halten sogar nur 500.000 Jahre für möglich.
Damit jedoch gehört dieses Terrain auf Pluto zu den geologisch jüngsten Oberflächen im gesamten Sonnensystem: „Pluto gesellt sich damit zu Europa, Enceladus, Titan und Triton als kleiner und eisiger, aber geologisch dynamischer Himmelskörper – weit entfernt von den kalten, toten Welten, die man einst so fern von der Sonne erwartete“, betonen Andrew Dombard und Sean O’Hara von der University of Illinois in einem begleitenden Kommentar.
Eisschicht ist bis zu zehn Kilometer tief
Und noch etwas ergibt sich aus den Berechnungen der Forscher: die wahrscheinliche Dicke der Eisschicht. Denn ob das Stickstoffeis von Sputnik Planum nur wenige Zentimeter in die Tiefe reicht oder aber mehrere Kilometer, blieb bisher unbekannt. Weil die Spektrometer von New Horizons nur eine Eindringtiefe von wenigen Mikrometern besitzen, verraten ihre Messungen dies nicht.
Weil aber die Größe der durch Konvektion gebildeten Schollen auch die Tiefe der Strömung widerspiegelt, konnten die Forscher dies nun indirekt ermitteln. Trowbridge und seine Kollegen kommen dabei auf eine wahrscheinliche Dicke der Eisschicht von rund zehn Kilometern, William McKinnon von der Washington University in St. Louis und sein Team errechneten mit drei bis sechs Kilometern etwas weniger.
Spannend sind diese Werte vor allem deswegen, weil die Tiefe und Form der Senke unter Sputnik Planum verraten könnte, ob es sich dabei um einen alten Einschlagskrater handelt oder nicht. (Nature, 2016; doi: 10.1038/nature18016; doi: 10.1038/nature18289)
(Nature, 02.06.2016 – NPO)