Medizin

Besser gewappnet durch vorgeburtlichen Stress?

Stress in der Schwangerschaft könnte Schutzmechanismen beim Baby aktivieren

Eng verbunden mit dem mütterlichen Organismus bekommt das Baby alles mit, was auch die Mutter bewegt oder sie belastet © iStock.com/ Jupiterimages

Stress lässt nach: Mütterlicher Stress und Depressivität während der Schwangerschaft können möglicherweise Schutzmechanismen beim Baby aktivieren. Denn starke Belastungen vor der Geburt verändern Anlagerungen am Rezeptor-Gen des Kuschelhormons Oxytocin, wie Forscher berichten. Bei den Neugeborenen kann das Hormon auf diese Weise besser aktiviert werden – und das könnte sich positiv darauf auswirken, wie die Kinder mit Herausforderungen und Belastungen fertig werden.

Die Phase im Mutterleib prägt unsere Entwicklung, unsere Gesundheit und auch unser Verhalten so stark wie keine andere Lebensphase nach ihr. Eng verbunden mit dem mütterlichen Organismus bekommt das Baby alles mit, was auch die Mutter bewegt oder sie belastet.

Ist die Mutter während der Schwangerschaft viel gestresst, kann das nicht nur das Wachstum des Fötus und den Geburtstermin beeinflussen. „Bekannt ist auch, dass Belastungen der Mutter das Risiko für psychische Störungen und körperliche Erkrankungen beim Nachwuchs erhöhen“, sagen Wissenschaftler um Eva Unternaehrer von der Universität Basel. Die Forscher haben nun jedoch Hinweise darauf entdeckt, dass sich mütterlicher Stress auch schützend auswirken könnte.

Kuschelhormon kann besser wirken

Für ihre Untersuchung begleiteten Unternaehrer und ihre Kollegen 100 Mütter und deren Babys während und nach der Schwangerschaft. Dabei sammelten sie das Nabelschnurblut von 39 Neugeborenen. Außerdem bestimmten sie in Speichelproben die Konzentration des Stresshormons Cortisol und werteten Fragebögen der Mütter zu belastenden Ereignissen und psychischem Befinden aus.

Dabei stellten sie fest, dass erhöhte Konzentrationen mütterlicher Stresshormone, Belastungen und depressive Symptome während der Schwangerschaft von epigenetischen Veränderungen beim Kind begleitet waren – also molekularen Modifikationen an der DNA, die wie ein Schalter das Ablesen der genetischen Informationen an bestimmten Stellen steuern können.

Kinder, deren Mütter unter mehr Stress und depressiven Symptomen gelitten hatten, wiesen schon bei der Geburt eine reduzierte Methylierung des Oxytocinrezeptor-Gens auf. Dadurch wird das Gen besser aktivierbar: Es können mehr Oxytocinrezeptoren produziert werden, an denen das „Kuschelhormon“ seine Wirkung entfalten kann.

Besser gewappnet gegen Stress?

„Oxytocin spielt eine wichtige Rolle bei sozialen Prozessen und der Anpassung an Stress. Der Mechanismus könnte darauf hinweisen, dass die Babys in diesen Fällen besser mit Herausforderungen und Belastungen fertig werden“, erklären die Forscher.

Wie weit dieser Einfluss reicht, ist jedoch unklar: „Da die Daten nur bis zur Neugeborenenphase analysiert wurden, lässt sich nicht sagen, welche langfristigen Folgen diese epigenetische Programmierung für die Kinder hat. Die Forschung in diesem Bereich steht erst am Anfang“, schließen die Wissenschaftler. Nichtsdestotrotz könnten die beobachteten Zusammenhänge erste Hinweise darauf geben, dass Belastungen in der Schwangerschaft auch Schutzmechanismen aktivieren können. (Social Cognitive and Affective Neuroscience, 2016; doi: 10.1093/scan/nsw051)

(Universität Basel, 13.05.2016 – DAL)

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