Medizin

Virtuelle Herzen prognostizieren Arrhythmie-Risiko

Personalisierte 3D-Simulation sagt Risiko für gefährliche Herzrhythmusstörungen präzise voraus

Normalerweise sorgen spezielle Taktgeberzellen für den gleichmäßigen Herzschlag © Herzmodell: BruceBlaus / CC-by-sa 3.0

Genaue Prognose: Ob Patienten mit Herzschädigungen in Zukunft wahrscheinlich eine gefährliche Arrhythmie entwickeln, könnte künftig eine besondere Simulation verraten. Forscher haben Kopien von Herzen am Computer erstellt und damit die Funktion der Pumporgane simuliert. Die Modelle können das Risiko für jeden Patienten individuell berechnen – und sind dabei genauer als herkömmliche Methoden, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

Normalerweise dient ein kleiner Zellknoten im rechten Vorhof, der Sinusknoten, als Taktgeber für unseren Herzschlag. Er besteht aus spezialisierten Zellen, die in regelmäßigen Abständen elektrische Impulse erzeugen. Ist dieser Taktgeber gestört, sprechen Mediziner von einer Arrhythmie: Das Herz schlägt dann zu langsam oder unregelmäßig.

Im Extremfall können solche Herzrhythmusstörungen zu einem plötzlichen Herztod führen. Um dieses Risiko für gefährdete Patienten zu mindern, werden ihnen oft elektrische Herzschrittmacher eingesetzt. Sie sollen das Herz wieder in den richtigen Takt bringen. Doch ob ein Patient diesen invasiven, teuren und selbst mit Risiken behafteten medizinischen Eingriff wirklich braucht, ist oft nur schwer zu beantworten.

Digitale Herz-Repliken

Eine personalisierte Simulation der Herzfunktion berechnet das Arrhythmie-Risiko© Trayanova et al. Nature Communications

Wie groß die Gefahr einer gefährlichen Arrhythmie ist, schätzen Ärzte häufig ab, indem sie die Pumpleistung des Herzens messen. Doch Studien belegen, dass diese Methode anfällig für Fehler ist. Wissenschaftler um Hermenegild Arevalo von der Johns Hopkins University haben deshalb nun ein Verfahren entwickelt, das die herkömmliche Vorgehensweise in puncto Genauigkeit schlagen soll.

Ihre Idee: Eine individuell angefertigte digitale Kopie des Herzens eines Patienten soll simulieren, wie sich das reale Pumporgan in Zukunft verhalten wird. Für ihre Studie erstellten die Forscher dreidimensionale Herz-Repliken von 41 Patienten, die einen Herzinfarkt überlebt hatten – das dabei geschädigte Gewebe erhöht das Risiko für spätere, tödliche Arrhythmien. Allen Patienten sollte deshalb ein Defibrillator implantiert werden.

Personalisierte Simulation

Hohes oder geringes Risiko? Das virtuelle 3D-Modell verrät es © Royce Faddis/ JHU

Das Team speiste MRT-Aufnahmen der Herzen der Patienten in ein Computerprogramm und erweckte die Organe darin zum Leben. Mithilfe von Computermodellen simulierten die Wissenschaftler unter anderem die elektrischen Prozesse in den Herzzellen sowie die Kommunikation zwischen den einzelnen Zellen.

Auf diese Weise konnten die Forscher am Bildschirm beobachten, wie sich die elektrischen Impulse durch das Herz des Patienten bewegten – und welchen Einfluss das durch den Herzanfall vernarbte Gewebe auf die Funktion des Organs hatte. Dabei zeigte sich, dass manche Herzen in der Simulation eine gefährliche Arrhythmie entwickelten, und andere nicht.

Präzisere Prognose

Doch wie sehr ähneln die virtuellen den echten Herzen? Das offenbarte ein Blick in die Patientengeschichte der Probanden. Wer hatte nach der Operation tatsächlich eine schwere Herzrhythmusstörung, die der Defibrillator ausgleichen musste? Es zeigte sich: Die Wahrscheinlichkeit, dass Patienten eine Arrhythmie entwickelten, war bei denjenigen, denen die Simulation ein solches Risiko bescheinigt hatte, viermal so hoch wie bei denen, die laut digitaler Vorhersage ein geringes Risiko hatten.

Außerdem konnte die virtuelle Herzmethode die herkömmliche Methode schlagen: Sie sagte Arrhythmien vier- bis fünfmal so genau vorher wie die Pumpmessung. „Unsere Methode hat die bestehenden klinischen Verfahren deutlich übertroffen“, schreiben die Forscher. „Das neue Verfahren ist ein hervorragendes Werkzeug für Mediziner, die entscheiden müssen, welcher ihrer Patienten einen Herzschrittmacher braucht, und für wen der Eingriff keine gesundheitlichen Vorteile bringt.“

„Bildgebende Verfahren liefern uns Kardiologen wertvolle Informationen über unsere Patienten. Doch letztlich nutzen wir nur wenig davon, um die Behandlung individuell anzupassen. Unsere Ergebnisse zeigen, wozu wir solche Daten nutzen können“, schließen sie. (Nature Communications, 2016; doi: 10.1038/ncomms11437)

(Johns Hopkins University, 11.05.2016 – DAL)

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