Technik

„Roboterjournalisten“ überzeugen Leser

Computergenerierte Nachrichten wirken glaubwürdiger

Mensch schlägt Maschine: "Roboterjournalisten" punkten in Sachen Glaubwürdigkeit © iStock.com/ iStock.com

Maschine schlägt Mensch: Im Wettstreit um die Gunst der Leser schneiden von Computern erstellte Nachrichten überraschenderweise besser ab als von Menschen geschriebene – zumindest in Sachen Glaubwürdigkeit. Wie ein Experiment zeigt, wirken mithilfe von Algorithmen kreierte Artikel über Sport- und Wirtschaftsthemen vertrauenserweckender. Das könnte an der besonderen Präzision der Texte liegen, berichten die Forscher im Fachmagazin „Journalism“.

Computer und Roboter wälzen die Arbeitswelt um – und werden uns künftig wohl immer mehr Aufgaben abnehmen. In Zukunft könnten die Maschinen zum Beispiel bei der Bekämpfung von Terror helfen, Inventurarbeiten übernehmen und sogar Journalisten ersetzen. Schon jetzt testen einige Medienunternehmen wie die US-Nachrichtenagentur Associated Press den sogenannten Roboterjournalismus. Sie veröffentlichen Texte, die von einem Computerprogramm generiert werden.

Bislang schreiben die Maschinen vor allem einfach strukturierte Nachrichten und Berichte für die Themenbereiche Sport und Finanzen. Doch wie kommen solche mithilfe von Algorithmen erstellte Artikel bei den Lesern an? Das haben nun Wissenschaftler um Andreas Graefe von der Ludwig-Maximilians-Universität in München untersucht – und Erstaunliches festgestellt.

Was überzeugt die Leser?

Für ihre Studie ließen die Forscher 986 Teilnehmer Online-Nachrichtentexte bewerten. Dafür wählten Graefe und seine Kollegen zwei reale journalistische Texte aus – einen Bericht über ein Fußballspiel sowie einen Bericht über die Aktienentwicklung eines Automobilzulieferers. Zudem verfasste eine Computersoftware aus den Inhalten dieser beiden Texte zwei neue Artikel.

Computer generieren heute schon Nachrichten aus den Bereichen Sport und Wirtschaft © James Abott/ freeimages

Jeder Proband bekam nun jeweils einen der Sport- und einen der Wirtschaftsartikel zu lesen – und er wurde darüber informiert, ob der Text von einem Menschen oder einem Computer geschrieben worden war. Was die Teilnehmer nicht wussten: Nicht immer stimmte diese Angabe. Ein per Algorithmus kreierter Text bekam manchmal das Etikett „menschengemacht“ – und umgekehrt. Die Leser sollten dann angeben, wie glaubwürdig ihnen der Artikel erschien, wie leserlich sie ihn fanden und wie sie die journalistische Expertise einschätzten.

Robotertexte sind glaubwürdiger

Die Ergebnisse offenbarten: Sobald ein Text als von Menschen geschrieben deklariert wurde, bewerteten die Probanden den Artikel grundsätzlich als etwas leserlicher – und zwar auch, wenn der Text tatsächlich von einem Computer geschrieben worden war. „Das liegt wahrscheinlich daran, dass Leser von echten Journalisten etwas Anderes erwarten als von einer Maschine – und diese Erwartung beeinflusst ihre Wahrnehmung“, erklären die Forscher.

Weitaus größer war jedoch der zweite Effekt, den die Wissenschaftler beobachten konnten: Auch wenn die Leser vermeintlich von Journalisten geschriebene Texte sprachlich bevorzugten, hielten sie computergenerierte Texte für weitaus glaubwürdiger und bewerteten auch deren Expertise als besser. Dabei spielte keine Rolle, welches Etikett die Forscher den Texten zuvor verliehen hatten. War ein Text per Computer entstanden, galt er stets als glaubwürdiger – unabhängig davon, ob die Leser einen Computer für den Autor hielten oder einen realen Menschen.

Präzision überzeugt

Für Graefes Team war das ein überraschendes Ergebnis. Doch die Forscher haben eine Erklärung für das Phänomen: „Die automatisch generierten Texte sind voller Zahlen und Fakten – und der Computer listet sie bis zur zweiten Dezimalstelle genau auf“, sagen die Wissenschaftler. „Wir glauben, dass diese Präzision die Texte vertrauenswürdiger erscheinen lässt.“

Für die journalistische Praxis bedeute das: „Insbesondere kurze, computergenerierte Texte über Sportereignisse oder Wirtschaft und Finanzen scheinen auf Leser schon heute ansprechend zu wirken.“ Weil in Zukunft mehr und mehr solcher Robotertexte veröffentlicht werden könnten, brauche man aber auch eine neue Ethik für solche von Maschinen statt von Menschen geschriebenen Nachrichten, fordern die Forscher. (Journalism, 2016; doi: 10.1177/1464884916641269)

(Ludwig-Maximilians-Universität München, 04.05.2016 – DAL)

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