Biologie

Spinnen praktizieren Oral-Sex

Forscher beobachten erstmals Cunnilingus bei einer Spinnenart

Darwin-Rindenspinnen praktizieren Oral-Sex: Das kleinere Männchen speichelt wiederholt die Geschlechtsöffnung des Weibchens ein. © Gregori&

Rarität im Tierreich: Biologen haben eine madegassische Spinnenart bei einer extrem ungewöhnlichen Sexpraktik ertappt: dem Cunnilingus. Vor, während und nach der Paarung speichelt das Männchen dabei mehrfach die Geschlechtsöffnung des Weibchens ein. Wozu dieser Oralsex dient, ist bisher rätselhaft. Möglicherweise verschafft die Spinnenspucke den Spermien des Männchens Vorteile oder signalisiert seine Fitness, mutmaßen die Forscher im Fachmagazin“Scientific Reports“.

Spinnen sind für ihre rabiaten Paarungs-Sitten berüchtigt: Häufig fressen die Weibchen ihre Partner nach dem Sex einfach auf, in anderen Fällen wehrt das Männchen Rivalen ab, indem es das Netz des Weibchens zerstört oder ihr sogar nach der Paarung die Kopulationsorgane verstümmelt. Umso erstaunlicher, dass Biologen nun bei den Spinnen eine Sex-Praktik entdeckt haben, die man bisher nur von Säugetieren kannte: den Oral-Sex.

Paarung mit Risiko

Für ihre Studie beobachteten Matjaž Gregorič von der slowenischen Akademie der Wissenschaften und seine Kollegen das Paarungsverhalten der in Madagaskar heimischen Webspinne Caerostris darwini. Diese Spinnenart ist dafür bekannt, bis zu 25 Meter große Netze aus extrem stabiler Spinnenseide zu produzieren. Typisch für diese Art ist zudem der ausgeprägte Größenunterschied der Geschlechter: Das Weibchen ist mit rund zwei Zentimeter Länge fast viermal so groß wie die Männchen.

Ähnlich wie bei anderen Spinnenarten ähnelt der Sex auch bei Caerostris darwini eher einem gruseligen Kampf: Die Männchen verstopfen nach der Paarung die Geschlechtsöffnung des Weibchens und kauen sich dafür selbst ihre Kopulationstaster ab. Umgekehrt werden sie dafür in rund einem Drittel der Fälle das Opfer von Kannibalismus: Ihre Partnerin verspeiste sie nach dem Sex, wie die Forscher beobachteten.

Oral-Sex auf Spinnenart

Viel ungewöhnlicher aber war etwas anderes: „Ausnahmslos zeigten alle Männchen ein Verhalten, das oralem Sex glich“, berichten Gregorič und seine Kollegen. „Das Männchen hakte dafür seine Mundklauen in die Geschlechtsöffnung des Weibchens, drehte sich um und begann, ihre Geschlechtsöffnung mit Speichel zu benetzen.“ Die Männchen wiederholten dies vor, während und nach der Kopulation bis zu 100 Mal.

Darwin-Rindenspinnen (Caerostris darwini) bei der Paarung© Gregorič et al./ EZlab ZRC SAZU

Nach Ansicht der Forscher spricht dies dafür, dass diese Art des oralen Sex für diese Spinnen obligat ist und zum Paarungsritual fest dazugehört. Das jedoch ist ebenso überraschend wie selten. „Sexuelle Aktivitäten, die Mundkontakt oder Mund-Genital-Kontakt beinhalten, sind im Tierreich extrem rar“, erklären die Forscher.

Selbst eine orale Stimulation des männlichen Geschlechtsteils wurde bisher nur bei wenigen Säugetieren, darunter Bonobos, Lemuren, Löwen oder auch Delfinen beobachtet.

„Ein Verhalten, das dem Cunnilingus ähnelt, wie bei diesen Spinnen, ist sogar noch viel selter“, so die Biologen.

Zweck der Sex-Praktik noch rätselhaft

Warum diese Spinnen Oralsex in ihrem Paarungs-Repertoire haben, ist bisher unklar. Wie die Forscher erklären, scheint dies aber nicht in Verbindung mit Verstümmelungen oder einem Entfernen von Stopfen des Rivalen zu stehen. Denn dann würden die Spinnenmännchen dieses Bespeicheln nicht so oft in allen Stadien der Paarung wiederholen.

Stattdessen halten Gregorič und seine Kollegen zwei andere Erklärungen für wahrscheinlich: Zum einen könnte der orale Kontakt dazu dienen, chemische Signale zur Fitness des Männchens an das Weibchen zu übermitteln. Zum anderen könnten bestimmte Enzyme im Spinnenspeichel dazu beitragen, den eigenen Spermien eine geeignete Umgebung zu verschaffen – und so die Chancen einer erfolgreichen Paarung erhöhen.

„Beide Möglichkeiten sind faszinierend“, so Gregorič und seine Kollegen. Doch welche davon zutrifft, muss nun erst noch in weiteren Studien näher untersucht werden. Die Entdeckung dieses ungewöhnlichen Paarungs-Verhalten bei Caerostris darwini jedoch zeigt einmal mehr, wie vielseitig das sexuelle Repertoire der Spinnen ist. (Scientific Reports, 2016; doi: 10.1038/srep25128)

(Scientific Reports, 03.05.2016 – NPO)

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