Wimmelndes Leben im Käse: Der Würchwitzer Milbenkäse ist berühmt – nicht nur für seine winzigen tierischen Produzenten, sondern vor allem wegen seines ungewöhnlichen Zitrusaromas. Jetzt haben Forscher herausgefunden, was dem Käse diesen Geschmack verleiht: Es ist ein Abwehrsekret der Milben, das sie versprühen, wenn der Käse zerteilt oder angeschnitten wird.
Wenn Milben einen Käse befallen, gilt er normalerweise als verdorben. Nicht so beim Würchwitzer Milbenkäs“: Dieser wird bei der Herstellung absichtlich mit tausenden dieser winzigen Spinnentiere versetzt. Die Milben leben dann mehrere Monate auf dem Käse und verzehren neben dem für sie als Futter zugesetzten Roggenmehl auch kleine Käseanteile. Ihr Speichel wiederum regt die Fermentation des Käses an und unterstützt so dessen Reifung
Rätselhafter Zitrusgeschmack
Doch der Würchwitzer Milbenkäse ist nicht nur wegen dieser tierischen Helfer ungewöhnlich – auch sein zitroniger, gleichzeitig kümmeliger Geschmack macht ihn speziell. So schrieb der Arzt und Parasitenforscher Friedrich Küchenmeister im Jahr 1881: „Bekanntlich wird Acarus siro in manchen Gegenden Deutschlands von Landwirten förmlich gezüchtet, um den Milbenkäse, der wegen seines zitronensäuerlichen Geschmackes von Gourmands geliebt wird, herstellen zu können.“
Woher aber kommt der fruchtige Geschmack? Das war bis jetzt unbekannt und kann durch die zugesetzten Gewürze nicht wirklich erklärt werden. Deshalb sind nun der Acarologe Michael Heethoff und sein Doktorand Adrian Brückner von der TU Darmstadt dieser Frage nachgegangen. Für ihre Studie analysierten sie sowohl Milbenkäse als auch die Sekrete der Käsemilben Acarus siro und Tyrolichus casei.
Erst die Milben versprühen das Aroma
Seltsamerweise fanden die Forscher beim Käse selbst keinerlei passende Aromastoffe: Hatten sie alle Milben säuberlich entfernt, war in den chemischen Analysen des Käses nichts mehr zu finden, was den Zitrusgeruch und -geschmack hervorbringen kann. „Wir schließen daraus, dass der zitronenähnliche Geschmack des Milbenkäses keine Folge des Fermentationsprozesses im Käse selbst sein kann“, so Heethoff und sein Kollege.
Anders dagegen bei den Milben: In einem Abwehrsekret der Tiere entdeckten die Wissenschaftler die Verbindung Neral – eine der Hauptkomponenten des Zitrusöls. Die Milben setzen dieses Sekret frei, wenn sie angegriffen werden und sich Feinde vom Leib halten wollen.
Das aber bedeutet: Das einzigartige Zitrusaroma des Milbenkäses entsteht nur deshalb, weil das Zerschneiden des Käses die Abwehrreaktion der Milben auslöst und diese ihr aromatisches Sekret versprühen. Für das volle Aroma des Milbenkäses sind die Milben demnach unverzichtbar – auch wenn vielen eher unappetitlich erscheinen mag. (Experimental and Applied Acarology, 2016; doi: 10.1007/s10493-016-0040-7)
(Technische Universität Darmstadt, 27.04.2016 – NPO)